JULIA FESTIVAL Band 97
musste.
Wenige Sekunden später entglitt die Tüte ihrer Hand, sodass die Lebensmittel auf den Weg fielen. Helen sah in Milos’ Gesicht und brach sofort in Tränen aus.
Statt sie zu trösten, suchte er den Schlüssel und öffnete ihr die Tür, damit sie ins Haus gehen konnte. Dann sammelte er die Sachen ein und tat sie wieder in die Tüte.
Helen zückte ein Taschentuch und tupfte sich die Tränen ab. Dass ausgerechnet er sie in diesem Zustand sah, war ihr furchtbar peinlich. Doch es war alles zu viel gewesen – der Schock über den Unfall, die Zeit im Krankenhaus und nun sein plötzliches Auftauchen. Vermutlich brauchte sie jemanden, der sie einfach in den Arm nahm. Allerdings würde Milos das kaum tun.
Was machte er hier?
Nachdem sie das Licht im Flur eingeschaltet hatte, eilte Helen in die Küche. Flüchtig dachte sie dabei daran, dass sie schrecklich aussehen musste. Aber in den letzten Tagen war sie fast ständig im Krankenhaus gewesen und hatte deshalb keine Zeit gehabt, sich den Kopf über ihr Äußeres zu zerbrechen.
Helen hörte, wie Milos die Haustür schloss und den Flur entlangkam. Sie knipste das Licht in der Küche an und drehte sich zu ihm um. „Danke“, sagte sie, als er die Tüte auf die Arbeitsfläche stellte. „Aber das war ziemlich dumm von dir.“
„Wäre es weniger dumm gewesen, wenn ich mit dir gesprochen hätte?“
„Wahrscheinlich nicht“, bestätigte sie angespannt. „Du hättest lieber anrufen sollen.“ Sie straffte die Schultern. „Was machst du hier so spät?“
Milos seufzte. „Es wäre nicht so spät geworden, wenn du rechtzeitig nach Hause gekommen wärst“, meinte er freundlich. „Woher sollte ich wissen, dass du zu dieser Tageszeit noch einkaufen gehst?“
„Ich war bis um acht im Krankenhaus“, verteidigte sie sich. Da ihre Lippen bebten, presste sie sie einen Moment lang zusammen. „Du … warst nicht da, oder?“, fügte sie besorgt hinzu, woraufhin er sie missbilligend ansah.
„Nein.“
Helen war erleichtert. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was ihre Mutter gedacht hätte, wenn Milos unangemeldet bei ihr aufgetaucht wäre.
„Aber ich bin schon seit …“, er blickte auf seine Armbanduhr, „… seit ungefähr Viertel nach acht hier.“
„Warum solltest du zwei Stunden auf mich warten?“, erkundigte sie sich ungläubig.
Offenbar beherrschte er sich nur mühsam. „Ich dachte, wir sollten uns endlich mal unterhalten. Bisher haben wir es geschafft, das Thema zu umgehen, aber heute Nacht sind wir hoffentlich ungestört.“
Nun verspannte sie sich. „Hätte das nicht bis morgen früh warten können?“ Sie knöpfte ihre Jacke auf und anschließend wieder zu. „Ich bin müde.“
„Das sehe ich. Mir ist klar, dass es eine sehr schwere Zeit für dich ist.“ Milos machte eine Pause. „Wie geht es deiner Mutter überhaupt? Wir haben gehört, dass ihr Zustand sich gebessert hat.“
„Wir?“ Helen schluckte. „Wer ist ‚wir‘?“
„Dein Vater, Melissa und ich. Sam hat heute Morgen, bevor ich abgereist bin, im Krankenhaus angerufen. Man hat ihm mitgeteilt, sie würde große Fortschritte machen.“
„Dann brauche ich es dir ja nicht zu sagen“, erklärte sie scharf, bevor sie den Wasserkessel vom Herd nahm und damit zur Spüle ging. „Ich mache mir Tee. Möchtest du auch eine Tasse?“
„Wie könnte ich so ein großzügiges Angebot ablehnen?“, konterte er ironisch. „Ich bin auch müde – und mir ist kalt.“
„Oh.“ Erst jetzt fiel ihr ein, dass das Wetter kühl und regnerisch und Milos ganz andere Temperaturen gewohnt war. „Entschuldige. Soll ich die Heizung aufdrehen?“
„Das ist nicht nötig“, versicherte er. „Etwas zu trinken tut es auch.“
„Ich habe leider nichts Alkoholisches im Haus.“
„Ein Tee reicht mir völlig“, sagte Milos gereizt. Dann runzelte er die Stirn. „Hast du heute Abend schon etwas gegessen?“
Helen zuckte die Schultern. „Ein Sandwich.“
„Mehr nicht? Ernährst du dich seit deiner Rückkehr nur davon?“
Nun machte sie einen Schmollmund. „Das ist doch wohl meine Sache, findest du nicht? Nur weil du denkst, zwischen uns wäre noch einiges offen …“
„Das denke ich nicht“, unterbrach er sie scharf, und sie war verblüfft über seinen gequälten Gesichtsausdruck. „ Theos , Helen, was glaubst du, wie lange wir noch so weitermachen können?“
„Womit?“
„Tu gefälligst nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede!“
„Ich weiß es wirklich nicht.“
„Du
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