JULIA FESTIVAL Band 97
lügst“, erklärte Milos schroff und atmete tief durch. „Hattest du je vor, mir zu sagen, dass Melissa meine Tochter ist?“
Entgeistert sah Helen ihn an. „Was?“
„Ich habe dich gefragt, wann du mir eröffnen wolltest, dass ich Melissas Vater bin“, erwiderte er rau. „Und streite es ja nicht ab, denn ich weiß es schon eine ganze Weile. Hast du wirklich geglaubt, mir würde die Ähnlichkeit nicht auffallen?“
Mit zittriger Hand hielt sie sich an einem der Stühle am Frühstückstresen fest und setzte sich dann darauf. Er weiß es, dachte sie verzweifelt. Milos wusste, dass Melissa seine Tochter war. Ob er es ihr auch erzählt hatte?
Das Wasser kochte, doch sie fühlte sich außer Stande, aufzustehen und den Kessel vom Herd zu nehmen.
Milos fluchte leise und ging an ihr vorbei. „Wo ist der Tee?“
Mit zittriger Hand deutete sie auf die Dose. „Da sind Teebeutel. Die … die Kanne steht daneben.“
„Das sehe ich“, sagte er ausdruckslos, bevor er einige Beutel aus der Dose nahm, sie in die Kanne hängte und mit Wasser übergoss. „Milch und Zucker?“
Als er ihr wenige Minuten später einen Becher hinschob, fühlte sie sich stark genug, um diesen an die Lippen zu heben und einen Schluck zu trinken. Der heiße Tee tat ihr gut und belebte sie, und als Milos den Stuhl ihr gegenüber hervorzog und sich rittlings darauf setzte, konnte sie ihm in die Augen sehen, ohne die Fassung zu verlieren.
„Hast … hast du es Melissa erzählt?“, fragte sie, weil sie es einfach wissen musste.
Vorwurfsvoll blickte er sie an. „Ich schätze, dass du genau das von mir erwartet hast“, antwortete er kühl. „Schließlich bin ich der Mann, der dich geschwängert hat und sitzen ließ.“
Helen zitterte. „Und, hast du?“
„Ob ich es Melissa gesagt habe?“ Als sie nickte, verzog er verächtlich den Mund. „ Fisika okhi! Natürlich nicht. Anders als du glaubst, respektiere ich dich viel zu sehr. Was mir allerdings ein Rätsel ist, nach allem, was passiert ist.“
Nervös befeuchtete sie sich die Lippen. „Danke.“
Nun fluchte Milos, woraufhin sie alarmiert zusammenzuckte. „Ist das alles, was du zu sagen hast? Danke? Theos , Helen, meinst du nicht, ich hätte etwas mehr verdient?“
Flüchtig sah sie ihn an und dann wieder weg. „Ich werde mich nicht bei dir entschuldigen“, erklärte sie heiser. „Ich dachte, du seist verheiratet, falls du es vergessen haben solltest.“
„Wie könnte ich das?“ Seine Miene verfinsterte sich. „Ich habe nicht vergessen, welche Rolle Eleni gespielt hat.“
Helen schüttelte den Kopf. „Hat es denn einen Sinn, wenn ich dir zu erklären versuche, warum … warum ich mich so verhalten und Richard geheiratet habe?“
„Ich höre dir zu, oder?“
„Ja, wahrscheinlich.“ Jetzt seufzte sie. „Für mich schien es der einzige Ausweg zu sein. Richard war bereit, mich zu heiraten, und so bin ich den Weg des geringsten Widerstands gegangen.“
„Und hat Shaw geglaubt, das Baby wäre von ihm?“, fragte er schroff, woraufhin sie wieder zusammenzuckte.
„Nein! Richard wusste, dass es nicht der Fall war. Er war mein Freund, aber wir hatten nie miteinander geschlafen.“ Sie neigte den Kopf. „Das weißt du ja.“
„Stimmt.“ Seine Miene verfinsterte sich noch mehr. „Und wann hat er seine Meinung geändert?“
„Wovon redest du?“, erkundigte Helen sich verwirrt.
„Über seine Rolle als Melissas Vater. Wann hat er beschlossen, ihr die Wahrheit zu sagen?“
Sie war verblüfft. „Das hat er nicht.“ Erneut befeuchtete sie sich die Lippen. „Ich habe keine Ahnung, was du meinst. Melissa glaubt immer noch, Richard sei ihr Vater.“
„Nein“, entgegnete Milos zu ihrem Entsetzen. „Das tut sie nicht.“
Nun konnte Helen nicht mehr still sitzen. Während sie vorher völlig erschöpft gewesen war, verspürte sie jetzt eine starke innere Unruhe. Sie stand auf und begann, in der Küche auf und ab zu gehen. Dabei versuchte sie zu verarbeiten, was sie gerade erfahren hatte. Doch sie konnte es nicht glauben. Warum hätte Richard so etwas tun sollen? Und falls es tatsächlich stimmte, warum hatte Melissa ihr gegenüber nie ein Wort darüber verlauten lassen?
Helen presste die Hände zusammen und überlegte, welche Möglichkeiten es gab. Soweit sie wusste, hatte ihre Mutter Richards Vaterschaft nie angezweifelt. Hatte Sheila sich nicht immer beschwert, Melissa sei ihm so ähnlich, vor allem was ihre schulischen Probleme betraf?
Dabei fiel Helen ein,
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