JULIA FESTIVAL Band 97
mich informieren können, dann hätte ich dich am Flughafen abgeholt.“
„Das war nicht nötig. Ich habe ein Taxi genommen“, erklärte Ashley. „Bist du nicht froh, dass ich wieder da bin?“
„Doch.“ Tess fing an, sich zu ärgern. „Wie geht es Andrea?
Ich muss sie unbedingt einmal anrufen.“
„Das ist nicht nötig.“ Ashley warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Es ist alles in Ordnung. Du kennst sie ja. Sie war schon immer wehleidig und übertreibt gern.“
Tess schob die Hände in die Taschen des Morgenmantels und ballte sie zu Fäusten. „Dann hast du mit ihr gesprochen, oder?“
Wieder blickte Ashley sie an. „Wieso? Natürlich habe ich das. Was soll das, Tess? Ich war eine Woche lang bei ihr.“
„Wirklich?“ Tess wappnete sich für die bevorstehende Auseinandersetzung. „Seltsam, sie hat behauptet, sie hätte dich nicht gesehen.“
„Hast du sie etwa angerufen?“ Ashley errötete vor Zorn. „Hast du mir nachspioniert, Tess? Verdammt, jetzt ist sie beunruhigt und fragt sich, was los ist.“
„Nicht nur sie“, erklärte Tess kühl. „Hast du ernsthaft geglaubt, es würde nicht herauskommen? Du liebe Zeit, Ashley, du verblüffst mich immer wieder.“
Ashley verzog mürrisch die Lippen. „Du hattest kein Recht, mir nachzuspionieren“, entgegnete sie. „Was geht es dich überhaupt an, wo ich war? Du hast mir angeboten, mich während meiner Abwesenheit in der Galerie zu vertreten, und ich habe das Angebot gern angenommen.“
„Nein, du hast mich darum gebeten“, korrigierte Tess sie. „Du hast behauptet, deine Mutter sei krank und brauche dich. Was bist du doch für ein armer Mensch.“
„Du hast dich doch offenbar ganz gut amüsiert“, fuhr Ashley sie an und wies auf den Morgenmantel. „An unsere Vereinbarung hast du dich jedenfalls nicht gehalten. Wie oft hast du die Galerie erst mittags geöffnet? Hoffentlich ist dir bewusst, dass ich auf den Job angewiesen bin.“
„O bitte.“ Tess warf ihr einen verächtlichen Blick zu. „Die Galerie interessiert dich doch gar nicht.“ Sie machte eine Pause. „Wo ist Marco? Hast du ihn nach Hause gebracht?“
Ashley blieb der Mund offen stehen. „Was weißt du von Marco?“, fragte sie mit finsterer Miene. „Hast du etwa mit seinem Vater geredet?“
Bis jetzt hatte Tess gehofft, es hätte sich um ein Missverständnis gehandelt und Ashley wäre nicht mit Raphaels Sohn zusammen gewesen. Aber offenbar hatte Raphael recht gehabt. „Hast du geglaubt, Castelli würde nicht versuchen, mit dir Kontakt aufzunehmen? Verdammt, Ashley, Marco ist erst sechzehn.“
„Beinahe siebzehn.“ Ashley wurde ungeduldig. „Aber das will seine Familie nicht wahrhaben. Sie halten ihn wie in einem Glashaus. Deshalb brauchen sie sich nicht zu wundern, dass er allzu gern ausbrechen möchte.“
„Und du hast beschlossen, ihm dabei zu helfen“, stellte Tess verbittert fest. „Egal, was du sagst und welche Ausreden du dir zurechtlegst, er ist erst sechzehn. Hast du wirklich damit gerechnet, sein Vater würde es einfach hinnehmen, dass du mit ihm davonläufst?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte dir mehr Verstand zugetraut.“
Ashley runzelte die Stirn. „Was heißt das, ich sei mit ihm davongelaufen?“
„Das hast du doch getan, oder? Sein Vater hat einen Privatdetektiv engagiert, der gesehen hat, wie ihr vor ungefähr einer Woche in den Flieger nach Mailand gestiegen seid.“
„Na und?“ „Wo, zum Teufel, wart ihr? Ihr seid jedenfalls nicht nach Mailand geflogen. Das hat man festgestellt.“
Sekundenlang blickte Ashley sie ärgerlich an. Dann drehte sie sich um und machte sich den Tee. Denkt sie sich jetzt eine Ausrede aus, oder überlegt sie, wie viel sie zugeben soll?, fragte Tess sich. Sie wollte keine Einzelheiten wissen, aber es interessierte sie, wie die beiden es geschafft hatten, ihre Spuren zu verwischen.
Mit der Tasse Tee in der Hand durchquerte Ashley schließlich das Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa sinken. Dann trank sie einen Schluck von dem heißen Gebräu, nickte zufrieden und wandte sich wieder an Tess. „Sieh mich nicht so seltsam an. Ich bin nicht pervers oder dergleichen.“
Tess zog einen Stuhl hervor und setzte sich an den Esstisch. „Okay. Erzähl mir bitte, wie es wirklich war“, forderte sie ihre Schwester auf und sah sie aufmerksam an.
Ashley zuckte die Schultern. „Wir waren in Genua.“
„Aber ihr hattet den Flug bis nach Mailand gebucht. Warum, wenn alles so harmlos war?“
„Um seine
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