JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
stolz. „Dann bin ich vermutlich nach Ihrer Vorstellung nicht normal.“
Womit ihm zunächst einmal der Wind aus den Segeln genommen war. Denn Matteo wollte sein heimliches Wissen noch nicht gegen sie ausspielen, bevor er nicht Näheres über ihre gegenwärtigen Lebensumstände in Erfahrung gebracht hatte. In zehn Jahren konnte immerhin viel passieren. Wenn sie die Wahrheit über ihr Alter gesagt hatte, war sie damals in New Orleans erst achtzehn gewesen, und eine wilde, exzentrische Jugend besagte noch nicht unbedingt etwas über ihr weiteres Leben.
Eines stand für Matteo jedenfalls fest: Nicole Redman konnte zweifellos Qualifikationen vorweisen, die bestens in die Heiratspläne seiner Großmutter passten: Sie war alleinstehend und ungebunden und in einem Alter, in dem man an Heirat zu denken beginnt … und sie war ganz gewiss sehr attraktiv, sofern man auf Rothaarige stand.
Was nicht auf jeden zutraf. Warum also hatte seine Großmutter ausgerechnet für ihn eine Rothaarige ausgewählt? Warum nicht eine Blondine oder eine Brünette? Urplötzlich dämmerte es ihm. Trish auf Antonios Hochzeit! Hannahs jüngere Schwester hatte langes rotbraunes Haar und war, als gefragtes Topmodel, auch groß und sehr schlank. Bei der Hochzeit waren sie einander als Tischnachbarn zugeteilt gewesen, da sie als Brautjungfer und er als Trauzeuge fungiert hatte, und hatten viel Spaß miteinander gehabt. Nichts Ernstes, nur ein harmloser Flirt. Aber hatte seine Großmutter vielleicht mehr hineingelesen und daraus geschlossen, dass Trish der Typ Frau war, auf den er abfuhr? Matteo schüttelte unwillkürlich den Kopf.
Nicole bezog diese Geste natürlich sofort auf sich. „Dies ist ein Projekt, das ich machen will“, sagte sie herausfordernd. „Wie ich von Mrs. Valeri-King gehört habe, haben Sie dieses Busunternehmen gegründet, weil Sie es wollten, und auch einen ganz neuen Markt für exotische Früchte aufgebaut … vermutlich auch, weil Sie es wollten. Ich bin sicher, Sie hatten Ihre Gründe, warum Sie diese Wege eingeschlagen sind, und ich möchte wetten, es hatte nichts mit Ihrem fehlenden Wunsch nach einer Beziehung mit einer Frau zu tun.“
Ein geschickter Schachzug! Die Kleine war nicht dumm. Wenn er sich auch nur in den Verdacht begab, dass er in diesem Punkt einen Unterschied zwischen Männern und Frauen machte, würde er als sexistisches Monster dastehen. Tatsächlich war das auch nicht seine Meinung. Er hatte lediglich überprüfen wollen, was seine Großmutter ganz sicher überprüft hatte, bevor sie Nicole Redman in ihre Heiratspläne einbezogen hatte. „Nun, dann kann ich nur hoffen, dass Sie die gleiche Befriedigung in der Erforschung der Vergangenheit finden, wie ich sie darin gefunden habe, mir eine Zukunft aufzubauen“, antwortete Matteo und lächelte entwaffnend.
„Sie dürfen sich sehr glücklich schätzen, dass Sie eine Vergangenheit besitzen, auf der Sie aufbauen können.“
Ihr übertrieben strahlendes Lächeln konnte Matteo nicht darüber hinwegtäuschen, was er für den Bruchteil einer Sekunde in ihren schönen Augen hatte aufblitzen sehen: ein Ausdruck von Trostlosigkeit und Leere. Allem Anschein nach kam Nicole Redman aus dem Nichts und wusste nicht, wohin. Sie lebte in den Tag hinein, ohne irgendwo verwurzelt zu sein. In dieser Hinsicht fühlte sie sich vielleicht wirklich wie das gespenstische Wesen, das sie damals in New Orleans so überzeugend gespielt hatte, weil ihr der solide Hintergrund einer Familie fehlte. Oder interpretierte er, Matteo, zu viel in einen flüchtigen Ausdruck?
„Was ist mit Ihrer Familie?“, fragte er rundheraus.
„Ich habe keine“, antwortete sie ebenso unverblümt, was seinen Verdacht bestätigte.
„Dann sind Sie eine Waise?“
Nicole presste die Lippen zusammen. „Hören Sie, ich bin ein erwachsener, selbst verantwortlicher Mensch, und habe mich verpflichtet, Mrs. Valeri-King bei der Durchführung dieses Projekts zu helfen. Wir haben einen entsprechenden Vertrag über sechs Monate unterzeichnet. Wenn Sie ein Problem damit haben, dass dieser Auftrag an mich vergeben wurde …“
„Das ist ausschließlich die Sache meiner Großmutter, und ich werde mich nicht einmischen“, versicherte Matteo sofort. Zwar bezweifelte er ernsthaft, ob seine Großmutter, was ihr geschichtliches Projekt betraf, die richtige Entscheidung getroffen hatte, aber das war wirklich nicht sein Problem, und er würde es nicht dazu machen.
„Nun, ich möchte Sie nicht länger von Ihrer
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