JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
von zu Hause aus zu leiten: Computer, Drucker, Faxgerät, Telefonanlage, Fotokopierer. Halbhohe Aktenschränke säumten die Wände. Darüber hingen gerahmte Fotografien, die den Park in den verschiedenen Phasen seiner Entstehung zeigten.
Nicole trat interessiert näher. Matteo lenkte ihre Aufmerksamkeit auf eine gerahmte Zeichnung. „Dies sollten Sie sich zuerst ansehen. Es ist der Originalentwurf, wie ihn mein Urgroßvater gezeichnet hat. Nach diesem Plan haben die im Lager Internierten gearbeitet.“
Nicole betrachtete die Zeichnung eingehend und staunte über die visionäre Kraft dieses Mannes. „Haben Sie eine Fotokopie davon?“
„Ja, Sie können eine haben. Und jetzt sehen Sie hierher …“ Er deutete auf das erste Foto neben der Tür. „Als Erstes wurde entlang der Grenzen des Lagers dieser schnell wachsende Bambus gepflanzt, um die Zäune zu verdecken, die sichtbarer Hinweis auf die Gefangenschaft waren.“
Wie rücksichtsvoll und fürsorglich! dachte Nicole. Frederico Stefano Valeri war offenbar in vieler Hinsicht ein bemerkenswerter Mann gewesen. Während sie Matteo von Foto zu Foto folgte und seinen Erläuterungen zu den einzelnen Phasen des Parks lauschte, fragte sie sich unwillkürlich, ob Güte sich wohl genauso weitervererbte wie Stärke und Willenskraft.
Der Mann an ihrer Seite, Matteo King, war zweifellos stark, physisch wie psychisch. Aber besaß er auch das große Herz seines Urgroßvaters? Aus allem, was sie bislang über die Geschichte der Valeris und der Kings gelernt hatte, zeigte sich, dass sie ihren erfolgreichen Weg niemals auf Kosten anderer Menschen gegangen waren, sondern, im Gegenteil immer auch das Wohl anderer im Auge behalten hatten. Sie waren „große Menschen“ in jeder Hinsicht gewesen.
Nicoles Blick schweifte zu dem muskulösen gebräunten Arm, der gerade auf das letzte Foto deutete. Ihr eigener Teint wirkte fast weiß und sehr zart dagegen. Vielleicht war es gerade dieser Gegensatz, weshalb sie sich so unwiderstehlich von Matteo angezogen fühlte.
Er ließ den Arm sinken. Sein plötzliches Schweigen veranlasste Nicole aufzublicken, und sie stellte fest, dass er sie intensiv beobachtete. Da sie seine letzten Erklärungen überhaupt nicht mehr mitbekommen hatte, hielt sie es für klüger, den Mund zu halten.
„Ich kann Ihnen natürlich die Originalfotos für Ihre Arbeit zur Verfügung stellen“, sagte er, aber sie spürte, dass er an etwas ganz anderes gedacht hatte.
„Nein, lieber nicht die Originale. Sie sind zu wertvoll. Aber wenn Sie mir Kopien machen könnten?“
„Wie Sie wünschen. Ich werde Sie Ihnen zum Schloss bringen, sobald sie fertig sind.“
„Danke.“
„Die Sache wächst Ihnen über den Kopf, nicht wahr?“
„Wie bitte?“ Sie sah ihn konsterniert an.
„Es wäre meiner Großmutter gegenüber fairer, wenn Sie es jetzt gleich eingestehen würden.“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Muss ich es denn aus Ihnen herausschütteln?“ Er packte sie bei den Armen.
Nicole erstarrte erschrocken. „Ich glaube, das ist ein schreckliches Missverständnis. Bitte, lassen Sie mich los.“
Er ließ sie los und winkte gereizt ab. „Sie mögen sich ja mit Ihrem reizvollen Äußeren und Ihrer Fähigkeit, überzeugend eine Rolle zu spielen, schon durch Gott weiß was für Situationen durchlaviert haben. Aber lassen Sie sich von mir gesagt sein, dass Ihre heutige Vorstellung zu diesem Projekt einfach zu schwach war, als dass ich sie Ihnen abkaufen könnte.“
„Das ist Ihre Schuld“, entgegnete sie heftig. „Sie machen mich ganz nervös.“
„Und warum wohl, Nicole?“, fragte er spöttisch. „Weil ich vielleicht durchschaue, was Sie wirklich sind?“
Seine unverhohlene Feindseligkeit ließ sie erschrocken zurückweichen. „Und was bin ich … Ihrer Meinung nach?“
Seine dunklen Augen funkelten höhnisch. „Die gleiche rothaarige Hexe, die ich schon vor zehn Jahren in New Orleans gesehen habe.“
„In New Orleans?“ Er war auch in der Stadt gewesen, als sie mit ihrem Vater dort gewesen war?
„Erzählen Sie mir nicht, es sei ein Irrtum. Ihr Bild ist unauslöschlich in meinem Gedächtnis eingebrannt.“
„Aber ich erinnere mich nicht an Sie.“
„Kein Wunder, ich war in jener Nacht maskiert.“
„In welcher Nacht?“
„Oh, Sie haben sicher viele Nächte damit verbracht, Ihre Gruselgeschichten auf dem ‚Gespenstischen Spaziergang durch die Stadtgeschichte‘ weiterzuspinnen. Sie waren wirklich gut darin.“
„Ja,
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