JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
Küche. „Und lassen Sie nicht noch einmal so viel Zeit vergehen, bevor Sie Ihre Großmutter wieder besuchen. Über einen Monat!“
„Ich bin eben viel beschäftigt“, sagte er im Hinausgehen.
„Diese Jugend!“, brummte Rosita tadelnd. „Andauernd in Eile.“
Doch Matteo beeilte sich nicht, in das Billardzimmer zu kommen. Rositas Bemerkungen über Nicole Redman hatten ihn ziemlich verwundert. Sie „arbeitete zu viel“? Und wie konnte sie ein so großes Zimmer für ihre Arbeit beanspruchen?
Die Tür stand weit offen. Aber niemand bemerkte Matteos Eintreten, denn alle standen um den abgedeckten Billardtisch herum. Erleichtert bemerkte Matteo, dass Nicole nicht anwesend war. „Hi!“, sagte er lässig. „Was gibt es denn da so Interessantes zu sehen?“
Sofort blickten alle auf, begrüßten ihn freudig und drängten ihn, selber zu schauen. Auf dem großen Tisch lag sozusagen die Geschichte der Familie in Bildern ausgebreitet – unzählige alte Fotos, chronologisch geordnet und jedes mit einer schriftlichen Anmerkung über das Wer, Wann und Wo versehen. Viele der Fotos hatte Matteo noch nie zu Gesicht bekommen.
„Das ist toll, Nonna!“, bemerkte er unwillkürlich.
„Ja, Nicole und ich haben Wochen damit zugebracht, die besten Fotos aus alten Alben und Kartons auszuwählen.“
Wohl mehr die Arbeit seiner Großmutter als die Nicoles, da war sich Matteo sicher.
„Sieh dir diesen Zeitstrahl an, Matteo.“ Antonio winkte ihn zu einer Tafel, die er gerade studierte. „Hier sind auf der einen Seite nacheinander all die historischen Stichdaten verzeichnet … die Kriege, die Einmischung der Mafia, die großen Zyklone, wesentliche Daten, die den Fortschritt der Zuckerindustrie sowie den Aufbau der anderen Plantagen markieren. Und hier, parallel dazu, ist in Stichworten vermerkt, was in der Familie zu der jeweiligen Zeit Wichtiges geschah. Nur das Allerwesentlichste, aber auf diese Weise bekommt die Geschichte Struktur, nicht wahr?“
Antonio hatte recht. Wider Willen musste Matteo zugeben, dass es eine beeindruckende Gliederung war. Allmählich beschlich ihn das höchst unangenehme Gefühl, dass er Nicole Redman unrecht getan haben könnte. Aber wenn sie dieser Aufgabe tatsächlich gewachsen war, warum hatte sie sich bei ihrem Besuch im Kauri King Park so dumm angestellt?
Ihm fiel die Tasche ein, die er mitgebracht hatte. „Ich habe hier noch mehr Fotos“, wandte er sich an seine Großmutter. „Aufnahmen von den verschiedenen Entwicklungsphasen des Parks und der Originalentwurf. Nicole hatte mich um Kopien gebeten.“
„Leg sie am besten auf ihren Schreibtisch. Danke, Matteo.“
Er ging zu dem großen Schreibtisch, der anscheinend extra für Nicole ans Fenster gestellt worden war. Neben einem Laptop sah Matteo einen ganzen Stapel von Aktenordnern, einen Kassettenrecorder sowie etliche Kassetten, in denen Alessandro gerade interessiert stöberte.
„Und? Was für einen Musikgeschmack hat Nicole Redman?“, erkundigte Matteo sich bei seinem Bruder und legte die Plastiktüte mit den Kopien neben den Computer.
„Das sind keine Musikkassetten“, klärte Alessandro ihn auf, „sondern Bänder mit Interviews, die Nicole mit Mitgliedern der alteingesessenen Familien in der italienischen Gemeinde geführt hat. Wie Nonna sagt, ist sie heute wieder unterwegs.“
„Dann wird sie uns nicht beim Essen Gesellschaft leisten?“ Matteo wusste nicht, ob er darüber froh sein sollte oder nicht. Ihre Abwesenheit machte es für ihn natürlich leichter, aber wenn er ihr wirklich unrecht getan hatte – und es sah immer mehr danach aus –, dann war eine Entschuldigung angebracht.
„Nein. Sie ist nach Johnstone Shire gefahren und wird bestimmt nicht vor dem späten Nachmittag zurück sein.“
Er brauchte sich ihretwegen also keine Gedanken zu machen … wenn nur die Gewissensbisse nicht gewesen wären.
„Sie hat in diesem einen Monat wirklich Unmengen von Material zusammengetragen“, bemerkte Alessandro bewundernd.
„Mag sein, aber kann sie auch schreiben?“, entgegnete Matteo schärfer, als beabsichtigt.
Alessandro sah ihn verwundert an. „Ja, weißt du denn nicht …?“ Er verstummte und nickte. „Stimmt, du warst ja nicht dabei, als Nonna sie uns beim Mittagessen vorgestellt hat. Einer der Gründe, warum Nonna sie für diese Aufgabe ausgewählt hat, ist die Biografie, die Nicole über ihren Vater geschrieben hat.“
„Eine Biografie?“, fragte Matteo verblüfft.
„Genau. ‚Ollies
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