JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
nicht zu, dass du mich so einfach ausschließt!“
Egoistisch, bodenlos egoistisch. Was Jodie wollte, bekam sie auch. Nur früher hatte sie ihre Selbstsucht in Liebenswürdigkeit verpackt und sie, Hannah, so geschickt eingewickelt, dass sie die Augen vor der Wahrheit verschlossen hatte. Es war einfach angenehmer gewesen, sich Jodies Vorstellungen zu fügen. Aber das würde ihr heute nicht mehr passieren. Nie wieder.
„Flynn und ich sind auch nur Menschen, Hannah“, machte Jodie den schwachen Versuch, sich zu rechtfertigen. „Wenn du nicht so abgehoben gewesen wärst und uns vernachlässigt hättest …“
„Entschuldige bitte, aber ich muss noch andere Gäste bedienen.“
„Das kann doch deine Kollegin tun!“
Hannah ignorierte den Einwand und ging um Megan herum ans andere Ende der Bar, wo weitere Gäste warteten, denen sie ihr freundlichstes Lächeln schenkte. „Tee oder Kaffee?“
„Tee, bitte.“
Hannah beeilte sich, den Wunsch der Dame zu erfüllen, deren britischer Akzent unverkennbar war. „Sind Sie zum ersten Mal am Great Barrier Reef?“, fragte sie dabei leutselig.
„Ja“, antwortete der Ehemann. „Allerdings waren wir schon in der Karibik zum Tauchen.“
Hannah lächelte strahlend. „Ja, aber hier haben wir eins der sieben Wunder der modernen Welt. Sie werden ganz sicher nicht enttäuscht werden.“
Lachend nahmen die beiden ihren Tee. „Ich werde Ihnen von unserem Eindruck berichten“, versprach der Mann noch im Gehen.
„Tun Sie das“, bat Hannah und wünschte sich, sie hätte noch ein wenig länger mit den beiden Fremden plaudern können. Denn nun war wieder nur Megan an ihrer Seite, und es würde schwer werden, der weiteren Konfrontation mit Jodie auszuweichen.
„Flynn, Flynn!“
Der schrille Klang von Jodies Stimme ging Hannah durch Mark und Bein.
„Sieh nur, wer hier ist! Hannah!“
Hannah wandte sich bewusst ab und beschäftigte sich damit, die gebrauchten Teebeutel in den Abfalleimer zu werfen.
„Hannah?“ Flynns Stimme klang überrascht und betroffen.
Hannah hoffte inständig, dass das schlechte Gewissen ihn veranlassen würde, den Salon so schnell wie möglich wieder zu verlassen.
„Komm, begrüß sie“, befahl nun aber Jodie scheinheilig, offenbar gnadenlos entschlossen, Hannahs Abwehr zu durchbrechen.
„Jodie, nicht wahr?“ Das war Antonio! „Ich wollte Flynn gerade auf die Brücke einladen, um die Ausfahrt der ‚Duchess‘ von dort zu erleben. Sie haben bereits Ihren Kaffee? Gut. Dann leisten Sie uns doch Gesellschaft.“
Ein eleganter Rettungsversuch. Obwohl es Hannah unangenehm war, dass Antonio offenbar das Problem erkannt hatte, in deren Zentrum sie stand, war sie ihm dankbar für seine Einmischung.
„Danke“, flötete Jodie. „Aber zuerst muss Flynn Hannah begrüßen. Wir haben sie soooo lange nicht gesehen!“
Womit sie, Hannah, vor ihrem Chef in eine Ecke gedrängt wurde, aus der es kein Entrinnen gab! Es wäre extrem unhöflich gewesen, Flynn nicht wenigstens zu begrüßen. Sie musste sich ihm stellen. Widerstrebend drehte sie sich um.
„Es ist schön, dich zu sehen, Hannah“, sagte Flynn.
Hannah hielt den Blick unwillkürlich auf Antonio gerichtet, sodass sie Flynn nur am Rande wahrnahm. Antonio war größer und stattlicher als Flynn, wodurch er ihn zusätzlich in den Schatten stellte. Und seine klaren grauen Augen blickten Hannah fragend und forschend an, als wollte er ergründen, welcher Schmerz sich hinter ihrem ungewöhnlichen Benehmen verbarg. Hannah nickte Flynn stumm zu, vermied es aber standhaft, ihn direkt anzusehen. Sollte Antonio sie ruhig wegen ihrer Unhöflichkeit gegenüber einem Gast auf der Stelle feuern!
„Schön! Also los“, ergriff Antonio erneut energisch die Initiative, wobei er Jodie und Flynn ohne viel Federlesen je eine Tasse Cappuccino in die Hand drückte. „Hannah hat noch viel für das Mittagessen vorzubereiten, und es ist ein herrlicher Morgen. Sie sollten ihn oben auf der Brücke erleben. Kommen Sie, und genießen Sie die Aussicht.“
Mit sanftem Nachdruck trieb er die beiden förmlich vor sich her, wobei er mit seinem freundlichen Redefluss jeglichen Protest im Keim erstickte. Doch Hannah war klar, dass Jodie sich nicht lange mundtot machen lassen würde. Im Nu würde sie Antonio davon in Kenntnis gesetzt haben, dass sein neuer Küchenchef tatsächlich auf diesem Gebiet sehr neu war und seine Berufserfahrung im Wesentlichen in einem ganz anderen Bereich gemacht hatte. Und dann würde Jodie
Weitere Kostenlose Bücher