JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
ignoriert.
„Wir haben uns doch nur Sorgen um euch beide gemacht“, hatte ihre Mutter sie besänftigt. In den Monaten zuvor waren mehrere Diplomatentöchter entführt worden, und sie war Liam dankbar gewesen, als er angeboten hatte, ihre Töchter von der Highschool abzuholen.
Sam hatte sich gerächt, indem sie sich einen motorisierten Freund genommen hatte. Einen pickligen, einsilbigen Teenager, der sie von da an nach Hause fuhr.
Und so war es zwischen ihr und Liam weitergegangen. Daher ahnte er, wie heikel das war, was er jetzt vorhatte. Denn selbst wenn Sam seine Gefühle erwidern sollte, würde ihre Beziehung so angespannt und wechselhaft sein, dass ihm keine Kraft für etwas anderes blieb. Schon gar nicht für eine politische Karriere. Sam war zu offen, zu spontan und zu eigensinnig, um die Richtige für ihn zu sein.
Die Politik war ein Mienenfeld, in dem jeder Fehltritt, jedes falsche Wort dazu führen konnten, das man gnadenlos aus dem Amt gejagt wurde. Deshalb war ein intaktes Privatleben, in dem man Ruhe finden und sich vom Druck der Öffentlichkeit erholen konnte, für einen Politiker unverzichtbar.
So etwas konnte Sam ihm jedoch niemals bieten. Niemals würde sie akzeptieren, dass sein Leben untrennbar mit der Politik verbunden war.
Jetzt war sie bereit, einen Mann zu heiraten, nur weil sie ihn für den idealen Ehemann und Vater hielt. Noch dazu einen Engländer, weil sie glaubte, in ihrem eigenen Land keinen Mann finden zu können.
Warum wollte ausgerechnet er ihr beweisen, dass sie sich irrte? Warum betete er nicht, dass dieser James sie so schnell wie möglich heiratete? Aber wann benahm ein verliebter Mann sich schon vernünftig?
Ein verliebter Mann!
Liam öffnete die Augen. Er hatte einfach zu lange die falsche Frau geliebt, und das hatte seine Sinne gründlich verwirrt. Das musste es sein. Warum war er sonst hier und nicht bei Toni in Washington?
Wenn Samantha allerdings entschlossen war, James zu heiraten, würde er sie natürlich nicht daran hindern können. Schließlich war sie eine erwachsene Frau, und er …
„Oh, was für ein Zufall“, hatte Bobbie sich gefreut, als er sie angerufen hatte, um ihr zu sagen, dass er im Grosvenor Hotel absteigen würde. „Sam und James wollen am Samstagabend dort essen.“
Ein Abendessen? Und was dann? Entsetzt stellte Liam fest, dass er mit den Zähnen knirschte. Die Vorstellung, dass Sams erregender Körper an dem eines anderen Mannes lag, löste etwas in ihm aus, das er noch nie erlebt hatte.
Er sah auf die Uhr. Es war vier. Erst einmal brauchte er eine Dusche und etwas zu essen. Er rief den Zimmerservice an.
„Liam wohnt im Grosvenor“, sagte James erfreut. „Vielleicht sollten wir ihn anrufen und einladen, mit uns zu Abend zu essen.“
Samantha traute ihren Ohren nicht. Manchmal war James einfach zu nett und höflich.
„Ich habe mich doch so auf diesen Abend mit dir gefreut“, protestierte sie. „Nur mit dir“, fügte sie vorsichtshalber hinzu.
Täuschte sie sich, oder wich James ihrem Blick absichtlich aus?
Was war bloß los mit ihm? Als sie in Ehester angekommen war, hatte er sich wirklich gefreut, sie zu sehen. Aber seit einigen Tagen fiel ihr auf, dass er zwar jede Verabredung einhielt, jedoch immer distanzierter wurde.
Warum? Fühlte er sich von ihr bedrängt? Ging es ihm etwa zu schnell? Gestern und vorgestern Abend hatte sie die Lippen ein wenig geöffnet, als er sie zum Abschied geküsst hatte, aber er hatte die Einladung nicht angenommen, sondern sich wie immer auf eine kurze, fast geschwisterliche Berührung beschränkt.
„Wie lange bleibt Rosemary noch bei deinen Eltern?“, fragte Sam ihn, als er auf den Parkplatz des Grosvenor Hotels einbog.
„Ich weiß es nicht“, antwortete James. „Ich hoffe, wir finden einen Parkplatz, sonst muss ich dich hier absetzen und den Wagen anderswo abstellen.“
„Hmm … Kennst du ihren Verlobten? Sie spricht nicht oft von ihm.“
James hatte die Stirn gerunzelt und fluchte, als ein anderer Fahrer ihm den letzten freien Parkplatz vor der Nase wegschnappte.
„Ich muss dich absetzen“, sagte er und beugte sich über sie, um die Beifahrertür zu öffnen. „Wir treffen uns in der Halle.“
Es war nicht seine Art, so gereizt zu reagieren, und Sam überlegte, warum er sich wohl so verhielt. Natürlich wusste sie, dass er und Rosemary sich nicht besonders gut verstanden. Aber ihre harmlose Bemerkung konnte doch nicht schuld an seiner plötzlichen schlechten Laune sein, oder
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