JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
lassen.
Während sie an ihrem Wein nippte, behielt sie den Eingang im Auge. Fünf Minuten vergingen, dann zehn und dann noch weitere fünf. Plötzlich reichte es ihr. Hastig trank sie den Wein aus, ignorierte die erstaunten Blicke der Kellner und ging in die Halle, in der es nicht mehr so voll war wie bei ihrer Ankunft.
James und Rosemary waren nirgends zu sehen, aber dann hörte sie die Stimmen der beiden. Sie kamen aus einem Nebenraum.
Die Tür stand halb offen, und Sam ging langsam darauf zu. Rosemarys Tonfall war eindeutig aufgebracht. Was genau sie sagte, war nicht zu verstehen, aber offenbar stritten die beiden miteinander. Und dann plötzlich trat Schweigen ein.
Rosemary stand mit dem Rücken zu Sam. James’ Gesicht ging in ihre Richtung, aber er bemerkte sie nicht, weil er die Augen geschlossen hatte und Rosemary gerade leidenschaftlich küsste. Trotzdem musste er gespürt haben, dass sie nicht mehr allein waren, denn er öffnete die Augen … und entdeckte Sam.
Sie wartete seine Erklärung nicht ab. Was hätte er auch sagen sollen? Sie hatte genug gesehen. Sie hatte gesehen, wie James eine Frau küsste, die er angeblich nicht ausstehen konnte. Noch dazu mit mehr Feuer und Leidenschaft, als er ihr gegenüber je gezeigt hatte. Na schön, sie und James waren kein Paar, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er sie angelogen hatte.
Zorn und das Gefühl der Erniedrigung brodelten in ihr. Wortlos drehte sie sich auf dem Absatz um und eilte durchs Foyer, ohne irgendjemanden wahrzunehmen. Auch nicht den Mann, mit dem sie Sekunden später zusammenstoßen würde. Als es dann geschah, blieb ihr die Luft weg, und sie wäre gestürzt, wenn er sie nicht festgehalten hätte.
„Liam!“, rief sie.
„Wo brennt es denn?“, scherzte er und wurde schlagartig ernst, als er ihr ins Gesicht sah. „Sam, was ist los?“
Normalerweise hätte ihr Stolz nie zugelassen, dass sie einen Fehler eingestand, aber sie war noch immer völlig aufgewühlt.
„Ich kann dir sagen, was ist“, erwiderte sie aufgebracht. „Mein Rendezvous … der Mann, den ich für den idealen Vater meiner Kinder gehalten habe, küsst dort hinten gerade eine Frau, die er angeblich nicht ausstehen kann.“
„Er ist mit einer anderen hier? Aber ich dachte, du wärst mit ihm zum Abendessen verabredet.“
„Das dachte ich auch, aber er schien keinen großen Appetit zu haben. Weder auf das Essen noch auf mich, und jetzt weiß ich auch, warum“, berichtete sie mit bitterer Stimme und blinzelte die aufsteigenden Tränen fort. Ausgerechnet James … in einer heißen Umarmung mit einer anderen Frau … wo er doch … wo er doch was? Sie, Samantha, nicht begehrt hatte!
Sam zuckte zusammen. Vielleicht hatte Cliff doch recht. Vielleicht war sie ja wirklich nicht die Art von Frau … Vielleicht war sie gar keine richtige Frau. Die Tränen waren nicht mehr zurückzuhalten.
Wie konnte James ihr das nur antun?
„Liam, was tust du?“, fragte sie, als er die Hand um ihren Arm legte und sie zum Fahrstuhl führte.
Er drückte auf den Knopf. „Ich nehme dich mit in meine Suite, damit du dich beruhigen und mir erzählen kannst, was passiert ist.“
„Was passiert ist? James ist ein verlogener Mistkerl, der … Oh …“ Samantha brach ab, als die Fahrstuhltür sich öffnete und Liam sie behutsam in den Aufzug schob.
Da auf dem Weg nach oben mehrere Hotelgäste zustiegen, kam Sam nicht dazu, Liam zu sagen, dass er sie in Ruhe lassen sollte. Erst als sie vor der Tür zu seiner Suite standen, konnte sie protestieren. „Das hier geht dich nichts an, Liam. Also bitte misch dich nicht ein, sondern ruf mir ein Taxi, das mich zu Bobbie bringt.“
„In dem Zustand willst du zu Bobbie?“ Er öffnete die Tür und schob sie vor den Spiegel im Eingangsbereich seiner Suite.
Entsetzt starrte Sam auf ihr hektisch gerötetes, tränenüberströmtes Gesicht, während Liam die Tür hinter ihnen schloss.
„Komm, jetzt setz dich erst einmal, und erzähl mir, was geschehen ist“, forderte er sie auf.
„James ist ein verlogener Mistkerl“, wiederholte sie und ging rastlos vor dem Kamin im Wohnzimmer auf und ab. Trotz ihres Zustands registrierte sie, dass Liams Suite zu den besten des Hotels gehörte. Der Blumenstrauß auf einem der antiken Tische verströmte einen milden Duft, aber sie war nicht in der Stimmung, den Luxus des Grosvenor zu genießen.
„Rosemary ist mit einem anderen verlobt. Sie trägt sogar einen Ring, aber der Kuss, den James ihr gerade da
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