JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
Wege.
Katie verbrachte den Vormittag in ihrem Büro und den Nachmittag im Gericht. Seb war unterwegs zu einem Kongress über Gefahren und Nutzen der Gentechnologie.
Vor seiner Abreise hatte er mit der Innenarchitektin telefoniert und sie beauftragt, ihre Entwürfe in die Tat umzusetzen. Er würde nicht einmal eine Woche fortbleiben, aber sie versprach ihm, dass die Wohnung bei seiner Rückkehr bezugsfertig sein würde.
Die Tagung fand in Florida statt, und Seb hatte wenig Lust auf den langen Flug über den Atlantik. Er machte die Augen zu und lehnte sich in seinem Sitz zurück, um zu schlafen. Aber dieses Mal funktionierten die Entspannungstechniken nicht, die ihm sonst immer halfen. Stattdessen erschien bei geschlossenen Augen immer wieder das Bild der Person, an die er am allerwenigsten denken wollte.
Anstatt langsam in den Schlaf zu gleiten und alle Sorgen für eine Weile zu vergessen, schlug er in seinem Kopf eine Art Album mit immer intimeren Fotos von Katie Crighton auf. Das beunruhigendste Bild war eins, auf dem ein kleiner Junge mit zerzaustem Haar plötzlich Katies Mund und Augen bekam.
„Oh nein! Niemals! Auf gar keinen Fall!“
Erst als sein Sitznachbar ihm einen erstaunten Blick zuwarf, wurde Seb bewusst, dass er seinen Protest offensichtlich laut geäußert hatte.
Wissenschaftlich gesehen, das wusste er, war es unmöglich, in die Zukunft zu sehen. Möglich waren höchstens Vermutungen, die auf echten Fakten beruhten. Die „Wahrsagerin“ musste angenommen haben, dass Katie und er ein Paar waren, und da war es nicht abwegig, dass sie ein Kind bekommen würden. Trotzdem hatte die Frau etwas an sich gehabt, das mit Logik nicht zu erklären war. Nervös rutschte er auf dem Sitz hin und her. Na schön, warum sollte er es sich nicht eingestehen? Wenigstens sich selbst. Er begehrte Katie. Sie hatte in ihm etwas geweckt, von dem er gar nicht mehr gewusst hatte, dass er dazu fähig war.
Sex war für ihn immer eine lustvolle Erfahrung gewesen, aber er hatte sich nie davon beherrschen lassen, wie andere Männer es zu tun schienen. Er dachte nicht daran, das Vorurteil zu bestätigen, nach denen die Männer seiner Familie ihre Sexualität unkontrolliert auslebten. Er sah sich als Vernunftmensch, der sein Verlangen im Griff hatte, und war sogar stolz darauf, dass andere Dinge ihm wesentlich wichtiger waren. Sein beruflicher Erfolg zum Beispiel.
Doch jetzt, mit achtunddreißig, stellte er entsetzt fest, dass sein Verlangen sich nicht mehr bändigen ließ. Es war, als wäre etwas, das in ihm geschlafen hatte, plötzlich aufgewacht. Noch schlimmer, diese Etwas weigerte sich standhaft, sich wieder zur Ruhe zu legen. Jetzt zum Beispiel sah er Katie nicht nur vor sich, sondern erinnerte sich daran, wie er sie geküsst hatte, wie warm und weich sich ihre Haut angefühlt hatte …
Oh ja, auch sie spürte, was zwischen ihnen beiden vorging. Allerdings bezweifelte er, dass sie sich den gleichen sexuellen Fantasien hingab, mit denen er sich quälte.
Charlotte war aus Versehen gezeugt und empfangen worden, weil Sandra eine Pille vergessen hatte. Wenn er ein zweites Mal Vater wurde, würde er es wissen, spüren, fühlen wollen. Wenn er und Katie ein Kind bekamen, sollte es bewusst geschehen, nicht als zufällige Folge ihrer Leidenschaft.
Was war bloß los mit ihm? Wie kam er dazu, so etwas Unsinniges zu denken? So ein Quatsch. Er war Wissenschaftler, ein Vernunftmensch. Wie kam er dazu, sich zu derart albernen Vorstellungen hinreißen zu lassen? Als eine Stewardess vorbeikam, bestellte er den Drink, den er kurz vorher noch abgelehnt hatte.
7. KAPITEL
„Langsam fängt es an, hier gemütlich auszusehen.“
Katie drehte sich zu ihrer Mutter um und umarmte sie dankbar.
Jenny hatte fast den ganzen Nachmittag damit verbracht, die Vorhänge aufzuhängen, die sie für Katies Wohnzimmer genäht hatte.
„Der Damast sieht wunderschön aus“, murmelte Jenny. „Auch wenn er sehr schwer zu nähen ist.“
„Er wirkt fast antik“, schwärmte Katie. „Und ich liebe diese warme goldene Farbe.“
„Sie passt perfekt zu dem Teppichboden.“
Er war ein Sonderangebot gewesen. Ursprünglich war der Vorhangstoff für einen anderen Kunden gefärbt worden, doch er hatte es sich in letzter Minute anders überlegt. Das gesparte Geld hatte Katie in Tapeten und Bordüren investiert, welche die alte Stuckdecke des ehemaligen Herrenhauses voll zur Geltung brachten. Und das Tapezieren hatte sie selbst gemacht. Sie konnte sich keine
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