JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
das Chaos aus Fragen und Gefühlen zu bringen.
Natürlich hatte er schon vor dem gestrigen Abend gewusst, wie stark und gefährlich das war, was er für Katie empfand. Hätte sie ihm nichts bedeutet, wäre er sicher nicht so wütend auf sie gewesen. Und erst recht hätte sein Körper nicht so auf sie reagiert, wenn er sie nicht … Als er stehen blieb, um ein Schwanenpaar mit seinem Nachwuchs zu beobachten, gestand er sich etwas ein, das er die ganze Zeit verdrängt hatte.
Von Anfang an, schon seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte Katie eine enorme Wirkung auf ihn gehabt. Der Zorn und die Empörung, die er bei ihrer ersten Begegnung empfunden hatte, waren ungewöhnlich intensiv gewesen und passten so gar nicht zu ihm. Es war, als hätten seine Sinne auf einer tieferen, ihm unbewussten Ebene auf Katie reagiert und als hätte er diese Reaktion unterdrückt.
Und was hatte das alles zu bedeuten? Dass er sich in sie verliebt und sich dann mit aller Kraft dagegen gewehrt hatte?
Nun ja, in der letzten Nacht hatte er sich jedenfalls gegen nichts gewehrt, oder?
Während die Schwäne vor ihm ihre gemächliche Bahn über den Fluss zogen, wurde ihm etwas klar. Möglicherweise liebte er Katie tatsächlich, aber mit Sicherheit liebte sie ihn nicht.
Nein, aber sie begehrte ihn. Dieser Gedanke erregte ihn so sehr, dass er am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht hätte und in ihre Wohnung geeilt wäre, um sie zu wecken und erneut mit ihr zu schlafen. Es kostete ihn unglaublich viel Kraft, sich zu beherrschen und es nicht zu tun.
Als er eine ganze Weile später langsam zum Haus zurückging, wurde ihm etwas bewusst. Er und Sandra hatten damals geheiratet, weil sie ihr gegenseitiges sexuelles Verlangen mit Liebe verwechselt hatten. Jetzt wusste er, was Liebe wirklich war, und begriff, wie sehr seine Gefühle für Katie sich von denen für Sandra unterschieden.
Bei Sandra hatte er den Fehler gemacht, eine Beziehung einzugehen, die nicht auf Liebe gebaut war. Diesen Fehler durfte er keinesfalls ein zweites Mal begehen. Katie verdiente etwas Besseres. Er liebte sie, aber sie ihn nicht. Sie verdiente es jedoch nicht nur, geliebt zu werden, sondern auch, selbst zu lieben.
Als er ihre Wohnung betrat, war er fest entschlossen, ehrlich zu ihr zu sein. Er wollte ihr sagen, dass diese Nacht ein einmaliges Ereignis bleiben musste. Dass er nichts von ihr erwartete. Dass es keine Zukunft für sie geben konnte.
Doch dann hatte das Telefon geläutet. Er hatte abgenommen. Und ohne es bewusst zu wollen, hatte er ihrer Mutter bestätigt, dass Katie und er ein Liebespaar waren. Damit hatte er Katie in Fesseln gelegt. Er hatte sie den Erwartungen ihrer Familie und seiner Liebe ausgeliefert. Seb war nicht besonders stolz darauf. Er war zu alt, um eine Frau mit solchen Tricks an sich zu binden. Das war weder Katie noch seiner Liebe zu ihr würdig.
„Das darf nicht wahr sein“, flüsterte Katie kopfschüttelnd und nippte an dem Kaffee, den Seb ihr gebracht hatte. Er war längst kalt geworden. Es durfte nicht wahr sein, aber es war dennoch wahr. Anstatt ihr jedoch heftige Vorwürfe zu machen, wirkte Seb völlig entspannt.
„Ich habe das alles nicht angefangen“, sagte er.
Katie runzelte die Stirn. Er hatte recht. Sie war selbst schuld an der verzwickten Situation, in der sie sich jetzt befand.
„Ich rufe meine Mutter an und sage das Mittagessen ab“, erklärte sie. Aber Seb stimmte ihr nicht zu. Stattdessen huschte ein schwer zu deutender Ausdruck über sein Gesicht, bevor er mit den Schultern zuckte.
„Wenn du meinst“, sagte er nur.
Zehn Minuten später war er fort, und Katie fühlte sich verwirrter als je zuvor. Aber wie sollte sie Seb verstehen, wenn sie nicht einmal sich selbst verstand? Gestern Abend und in der Nacht hatte sie sich nicht wiedererkannt, und als sie jetzt daran dachte, was sie alles gesagt und getan hatte, errötete sie, obwohl sie allein war.
Gleich nachdem sie geduscht hatte, rief Katie ihre Mutter an. Mit hinter dem Rücken gekreuzten Fingern erklärte sie ihr, dass Seb leider nicht zum Mittagessen kommen konnte, weil er in der Firma noch etwas Dringendes zu erledigen hatte.
„Und dann ist da noch etwas“, begann sie und holte tief Luft. Sie war fest entschlossen, das Gespräch nicht zu beenden, bevor sie ihrer Mutter die ganze Wahrheit gebeichtet hatte. Doch bevor sie weitersprechen konnte, brach Jenny das Telefonat von sich aus ab. „Liebling, ich muss Schluss machen, da ist jemand an der Tür.
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