JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
Sei nicht traurig wegen des Mittagessens, wir verschieben es einfach. Außerdem …“ Ihre Mutter lachte verständnisvoll. „Ich bin sicher, du und Seb seid viel lieber allein.“
Katie war wirklich lieber allein, und zwar ganz allein. Hastig zog sie sich an und nahm ihre Tasche sowie die Wagenschlüssel. Sie brauchte Zeit für sich, um in Ruhe über alles nachzudenken und zu begreifen, was geschehen war.
Während Katie draußen zu ihrem Wagen eilte, kam Seb gerade aus der Dusche. Als er nackt durch sein Schlafzimmer ging, fiel sein Blick auf Charlottes Foto. Immer häufiger forderte sie ihn auf, sich doch endlich wieder zu verlieben und zu heiraten. Sie hatte Katie auf Anhieb sympathisch gefunden. Seb dachte daran, wie seine Tochter auf die Weissagung dieser unmöglichen Frau auf dem Kinderfest reagiert hatte. Plötzlich erstarrte er und schloss die Augen. Ihm war eingefallen, dass er in der letzten Nacht vor lauter Leidenschaft etwas unerhört Wichtiges vergessen hatte.
Er wusste, dass er absolut gesund war, also war sein Versäumnis zwar verantwortungslos, aber zumindest nicht gefährlich gewesen. Trotzdem hätte er daran denken müssen, denn er konnte nicht wissen, ob Katie die Pille oder etwas anderes nahm.
Während er sich anzog, läutete das Telefon. Er riss den Hörer von der Gabel, und sein Herz schlug immer heftiger, während ein Lehrer ihm berichtete, dass Charlotte sich auf der Klassenfahrt bei einem Sturz verletzt hatte.
„Sie behalten sie zur Beobachtung im Krankenhaus, um sicherzugehen, dass sie keine Gehirnerschütterung erlitten hat“, erklärte der Lehrer. „Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass Sie sich keine Sorgen zu machen brauchen.“
„Wo ist sie? In welchem Krankenhaus?“, erkundigte Seb sich atemlos.
Bevor er zum Wagen eilte, rief er bei Katie an, doch sie meldete sich nicht. Er konnte nicht warten. Seine Tochter lag im Krankenhaus. Also würde er Katie nachher über das Handy anrufen und ihr gestehen, welchem Risiko er sie ausgesetzt hatte.
Später hätte Katie nicht einmal sich selbst erklären können, warum sie sich so spontan dazu entschlossen hatte, nach Brüssel zu fliegen. Sie hatte ihre Zwillingsschwester angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie kommen würde. Danach hatte sie ihre Mutter informiert. Kurz und hastig. „Ich bin schon am Flughafen. Nein, ich weiß nicht, wie lange ich bleiben werde. Höchstens ein paar Tage“, versprach sie Jenny. „Sag Dad und Olivia, dass es mir leidtut. Es geht nicht anders. Ich werde Überstunden machen, wenn ich wieder da bin.“
Am anderen Ende hörte Jenny einfach nur zu. Es war nicht Katies Art, so impulsiv zu handeln, aber als Mutter war sie froh, dass ihre beiden Töchter sich endlich wieder einander anzunähern schienen. Wenn Katie ihre Schwester so sehr brauchte, dass sie hier alles stehen und liegen ließ, um zu ihr zu fliegen, musste es wirklich wichtig sein. Und Jenny wusste, dass Louise für sie da sein würde.
„Wohin ist sie?“, fragte Jon ungläubig, als Jenny ihm von Katies Abreise erzählte.
„Nach Brüssel, zu Louise“, wiederholte Jenny geduldig. „Sie wird nur einige Tage dort bleiben“, beruhigte sie ihren Mann, als er erst verärgert seufzte und dann den Kopf schüttelte.
„Das will ich doch stark hoffen. Wir haben im Moment unheimlich viel zu tun. Was, um alles in der Welt, ist mit Katie bloß los?“
Als seine Frau ihn einfach nur lächelnd ansah, seufzte er ein zweites Mal. „Liebeskummer!“, vermutete er.
„Nur eine kleine Vertrauenskrise, nehme ich an“, meinte Jenny.
„Hat Seb ihr etwa einen Grund gegeben, ihm nicht mehr zu vertrauen?“ Jon runzelte die Stirn. Er war nie ein Vater gewesen, der sich in derartige Dinge einmischte, aber er würde nicht zulassen, dass jemand seinen Töchtern wehtat. „Wenn das so ist, sollte sie sich von ihm trennen, finde ich.“
„Nein, es liegt bestimmt nicht an Seb“, entgegnete Jenny beschwichtigend. „Ich vermute eher, dass es Katies Selbstvertrauen ist, das erschüttert ist. Als sie an der Universität war, ist mir immer wieder aufgefallen, wie schnell sie sich zurücknimmt und sich mit dem zweiten Platz begnügt, anstatt zu kämpfen.“
„Wie der Vater, so die Tochter.“ Jon lächelte wehmütig.
Jenny wusste, was er meinte. Viele Jahre hindurch hatte ihr Mann im Schatten seines Zwillingsbruders gestanden. Sein Selbstwertgefühl hatte empfindlich darunter gelitten. Deshalb hatten sie beide sich geschworen, dass es ihren Töchter
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