Julia Gold Band 0045
noch gar nichts, denn jetzt werde ich eins verursachen, wie du es noch nicht erlebt hast. Ich warne dich.“
Sie tastete nach weiteren Gegenständen, um sie als Wurfgeschosse zu benutzen, fand jedoch nichts mehr und blickte sich suchend um. Als sie wieder zur Tür schaute, war Sharif verschwunden. Stattdessen stand nun Tayi auf der Schwelle. In ihren Augen lag Bewunderung.
„Jetzt verstehe ich den Sturm“, sagte sie heiter.
Leah seufzte und stellte die kleine Messingglocke, die sie noch in der Hand hielt, auf den Tisch zurück. „Ihr Scheich ist ein ganz unmöglicher Mensch, Tayi“, antwortete sie bitter.
„Er wird zurückkommen“, erklärte Tayi, die in Leahs Fähigkeit, ihn in ihren Bann zu ziehen und an sich zu binden, ungebrochenes Vertrauen hatte.
„Besser nicht, es sei denn, er hat seine Meinung geändert.“ Leah kochte immer noch vor Wut.
„Sie haben ihn also gefragt, und er hat sich geweigert, stimmt’s?“
Sekundenlang überlegte Leah, was Tayi wohl meinte. Dann ging ihr ein Licht auf. „Tut mir leid, Tayi, ich habe ihn auf Ihr Problem anzusprechen versucht, aber er wollte überhaupt nicht zuhören.“
Tayi nickte beruhigt. „Das, was Sie getan haben, ist gut. Sie stehen auf meiner Seite.“
„Ich brauche unbedingt ein Messer“, sagte Leah in ihrem Zorn und mehr zu sich selbst.
„Ich etwa auch?“, fragte Tayi ernsthaft.
In Leahs Augen blitzte es wütend auf. „Jede Frau sollte sich mit einem Messer gegen solche Männer wie Sharif wehren.“
Tayi drehte sich um und klatschte in die Hände. Sogleich eilten zwei Dienerinnen herbei. „Bringt mir bitte zwei agals“, forderte sie die beiden auf. „Ich bin bei Miss Marlow.“
Leah war erstaunt, wie unterwürfig die beiden Frauen Tayi gehorchten. Und dann, umgeben von einer Aura der Autorität und Würde, schritt Tayi in den Salon und schloss die Tür hinter sich. Zweifellos hatte Tayi etwas Königliches an sich, sie schien wie geschaffen, die Frau eines Kronprinzen zu werden. Leah hätte allzu gern mehr über sie gewusst.
„Ich kann viel von Ihnen lernen“, erklärte Tayi nachdenklich. „Macht begegnen Sie mit Macht. Ich fange an zu verstehen.“
„Wer sind Sie wirklich, Tayi?“, fragte Leah schließlich. „Sie tun, was Sie wollen, und kommen und gehen nach eigenem Belieben. Sie erteilen Befehle, als wären Sie dazu geboren, und alle gehorchen Ihnen.“
Tayi schien überrascht über Leahs Unwissenheit. „Ich gehöre zur Familie des Scheichs, deshalb ist es selbstverständlich, dass man mir gehorcht.“
„Zu Sharifs Familie?“, wiederholte Leah. Nur mühsam konnte sie ihr Erstaunen verbergen, denn mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet.
„Ich bin seine Cousine“, erwiderte Tayi hoheitsvoll. „Mein Vater ist der zurückgetretene Scheich. Er hatte drei Frauen. Ich bin die Tochter seiner jüngsten Frau Shasti. Meine Mutter stammt aus der Herrscherfamilie von Omala, hat aber unter ihrem Stand geheiratet. Die Kinder, die sie mit dem Scheich hat, bekommen automatisch den Rang des Vaters“, erklärte Tayi stolz.
Kein Wunder, dass ich Tayi für eine ganz besondere Frau gehalten habe, überlegte Leah, die nun noch wütender auf Sharif wurde, weil er seine Cousine einfach als Kindermädchen bezeichnete. Dass er ihre Gefühle bei der Wahl des Ehemanns überhaupt nicht berücksichtigte, bewies, was für ein Chauvinist er doch war.
„Oh, ich könnte ihn umbringen“, sagte Leah empört.
„Wozu soll das gut sein? Wird dadurch ein einziges Problem gelöst?“
„Er muss endlich begreifen, dass wir das, was wir sagen, wirklich ernst meinen. Und er muss unsere Wünsche respektieren. Wir müssen ihm vor Augen führen, dass es nachteilig für ihn ist, wenn er sich unseren berechtigten Bitten widersetzt“, erwiderte Leah.
„Ah.“ Tayi nickte zustimmend. „Ich verstehe.“
Es klopfte an der Tür, die beiden Dienerinnen kamen zurück, die für Tayi die Messer geholt hatten und sie ihr nun übergaben. Tayi versteckte sogleich eines der beiden agals in den Falten ihres Turbans, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Das andere reichte sie Leah.
„Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit“, meinte sie. „Man hat König Rashid von Qatamah hergebeten. Vielleicht begleitet der Kronprinz seinen Vater. Das wäre auf jeden Fall ein gutes Zeichen, oder?“
„Ja. Ich bin sicher, Prinz Youssef wird auch anwesend sein“, erklärte Leah überzeugt. Und zwar seiner Schwester zuliebe, fügte sie insgeheim hinzu, denn es war
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