Julia Gold Band 0045
erstreckte.
Aufgeregt schaute Amber aus dem Fenster. Während ihrer freiberuflichen Tätigkeit war sie schon vielen hochrangigen Persönlichkeiten begegnet, aber noch nie einem arabischen Scheich. Sie war gespannt, ob sie vielleicht einige interessante Informationen beim Besuch im Palast erhalten würde.
Sie fragte sich, warum der Scheich sie überhaupt eingeladen hatte. Die Erlaubnis für ihre Arbeit hatte sie vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung erhalten, das auch die Termine für ihre Interviews festgelegt hatte. Wahrscheinlich hatte man ihn von dort aus über ihre Anwesenheit unterrichtet, und er wollte jetzt von ihr persönlich erfahren, was sie vorhatte.
Mit etwas Glück würde seine Neugier ihr sogar nützlich sein. Und vielleicht würde er seinen Einfluss geltend machen und ihr helfen.
Als das Taxi auf der Rückseite des Palastes anhielt, wurde sie von einem großen Mann mit schwarzem Bart begrüßt.
„Rashid“, stellte er sich vor und verbeugte sich, „zu Ihren Diensten.“
Amber hatte Mühe, sich ein Lachen zu verbeißen. War es Wirklichkeit, oder befand sie sich in einem Film?
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, erwiderte sie höflich und hätte am liebsten hinzugefügt, er könne sich die Ehrerbietungen und Formalitäten sparen.
Rashid führte sie in den Palast, dann durch die riesige Eingangshalle mit Messingleuchten und kostbaren Seidenbrücken in ein großes, sonnendurchflutetes Empfangszimmer, vor dessen Tür zwei Wächter mit Bärten und Turbanen standen.
Mit einer höflichen Handbewegung forderte Rashid Amber auf, sich zu setzen.
„Seine Königliche Hoheit wird gleich kommen“, erklärte er, nachdem sie in einem der bequemen Sessel Platz genommen hatte. Dann verbeugte der Mann sich noch einmal und verließ den Raum.
Interessiert sah Amber sich um. Das Zimmer war in kräftigen, satten Farben dekoriert. Diwane und Sessel, die weich und bequem wirkten, waren ohne erkennbare Ordnung aufgestellt, und Stühle mit hohen Lehnen, die mit Schnitzereien verziert waren, standen an den Wänden. So leben also arabische Scheichs, dachte sie leicht belustigt. In diesem Raum wurden Gäste empfangen – wie waren dann erst die Privatgemächer des Scheichs ausgestattet?
Sie konnte es kaum erwarten, den Scheich kennenzulernen. Am Abend zuvor hatte sie im Hotel einen Stapel Zeitungen in englischer Sprache durchgeblättert und die Fotos von ihm aufmerksam betrachtet. Aus den Artikeln und Berichten hatte sie viel über seine geschäftlichen und politischen Aktivitäten erfahren – offenbar war er ein gebildeter und intelligenter Mann –, aber nichts Persönliches. Sie wusste nicht, ob er verheiratet war, nahm es jedoch an.
Plötzlich bemerkte sie, dass die Terrassentür nur angelehnt war. Sie zögerte kurz. Er würde sicher noch nicht kommen. Normalerweise ließen hochrangige Persönlichkeiten ihre Gäste gern warten. Schließlich stand sie auf, ging zur Tür und stieß sie auf.
Der Anblick, der sich ihr bot, war überwältigend schön. In dem Innenhof standen grüne Palmen in großen Keramiktöpfen, in der Mitte befand sich ein Marmorbrunnen in Form von drei Delfinen, die zu lächeln schienen und aus deren nach oben gerichteten Mäulern das Wasser herausspritzte und in dem sanften, weichen Licht glitzerte. In einer Ecke neben dem Topf mit einem pinkfarben blühenden Kaktus stolzierte ein herrlicher schneeweißer Pfau, der ein Rad schlug, sodass man sein prächtiges Gefieder bewundern konnte.
Amber griff nach dem Fotoapparat in der Umhängetasche.
„Nein, Miss Buchanan, fotografieren Sie hier bitte nicht“, ertönte auf einmal eine männliche Stimme hinter ihr.
Überrascht wirbelte sie herum und errötete, als sie dem Mann in die Augen schaute, die so schwarz waren wie die Nacht.
2. KAPITEL
„Das sind nicht die Pyramiden von Gizeh, Miss Buchanan. Sie befinden sich in meinem Palast, der für Touristen nicht zugänglich ist. Ich habe es nicht gern, wenn hier fotografiert wird“, wies der Mann Amber scharf zurecht.
„Es tut mir leid“, entschuldigte sie sich und rang nach Fassung, denn er schaute sie so durchdringend an, dass sie sich wie hypnotisiert fühlte. Ihre Haut prickelte, während sie ihm in die Augen blickte.
Natürlich wusste sie, wer er war, sie hatte ihn sogleich erkannt. Der große, charismatisch wirkende Mann auf der Türschwelle war Scheich Zoltan, ihr Gastgeber. Obwohl er so aussah wie auf den Fotos, wurden sie ihm keineswegs gerecht, denn sie sagten
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