Julia Gold Band 0045
normalerweise keine Zeit“, erwiderte er und lächelte. Seine Stimme klang leicht belustigt. „Es ist jedoch keine Zeitverschwendung, wenn ich Ihnen meine Gastfreundschaft erweise, sondern entspricht den Sitten und Gebräuchen meines Landes“, fuhr er fort. „Sie können ganz beruhigt sein, meine liebe Miss Buchanan, die Begegnung mit Ihnen ist sehr sinnvoll und bestimmt ein Gewinn.“
Nachdem die beiden Diener ihnen Tee eingeschenkt hatten, zogen sie sich wieder zurück.
„Bitte bedienen Sie sich“, forderte der Scheich Amber auf.
Sie tat es, ihr blieb keine Wahl, wenn sie sich nicht lächerlich machen wollte. Sein Lächeln und seine humorvolle Bemerkung hatten ihre Bedenken etwas zerstreut.
Wahrscheinlich mache ich mir unnötig Sorgen, wer bin ich denn schon? sagte sie sich. Auf jeden Fall nicht die Heldin aus dem Roman meiner Mutter, die von dem Anführer eines Beduinenstamms gekidnappt wird, fügte sie in Gedanken hinzu. Scheich Zoltan war ein gebildeter, weltgewandter Mann. Auch wenn er sie immer wieder prüfend musterte, würde er sie sich bestimmt nicht wie einen Sack auf die Schultern laden und in seinen Harem tragen. Sie hatte eine viel zu lebhafte Fantasie, das war alles.
Energisch verdrängte Amber ihre Ängste und nahm sich ein Stück Gebäck.
„Danke“, sagte sie leise, während sie es auf den Teller legte, der mit Blattgold verziert war. Dann trank sie einen Schluck Tee. Ich muss mich zusammennehmen, ich habe hier nichts zu befürchten, mahnte sie sich, als sie bemerkte, dass ihre Hände zitterten.
Auch Scheich Zoltan legte sich ein Stück Kuchen auf den Teller. Obwohl Amber ihn nicht anschaute, weil sein durchdringender Blick ihr immer noch Unbehagen bereitete, entging ihr keine seiner Bewegungen. So fühlt man sich, wenn man mit einem Tiger in einen Käfig gesperrt wird und sich trotzdem einreden will, es würde einem nichts geschehen, dachte sie ironisch.
„Gut, ich will Ihnen erklären, warum ich Sie eingeladen habe“, erklärte er unvermittelt.
Amber hielt den Atem an. Was kommt jetzt auf mich zu? fragte sie sich besorgt.
„Nachdem man mir mitgeteilt hatte, dass Sie nach Ras al-Houht gekommen sind, um Nachforschungen für einen Roman anzustellen, wollte ich Sie unbedingt kennenlernen“, fuhr er schließlich fort und lächelte freundlich. „Ich war neugierig und habe Sie in den Palast gebeten, um mehr darüber zu erfahren, was Sie vorhaben.“
Meine Bedenken waren also wirklich unnötig, überlegte sie erleichtert und konnte nicht mehr verstehen, warum sie sich in etwas hineingesteigert hatte, das offenbar nicht existierte.
Sie lächelte auch. „Natürlich erzähle ich Ihnen alles, was Sie wissen möchten.“
Er lehnte sich auf dem Diwan zurück. „Man hat mir berichtet, Sie würden im Auftrag Ihrer Mutter recherchieren. Sie ist angeblich Autorin und schreibt einen Roman, der in Ras al-Houht spielen wird. Stimmt das?“
Amber nickte. „Ja“, erwiderte sie und entspannte sich immer mehr.
„Sie arbeiten also wirklich für Ihre Mutter?“
„Manchmal. Ich bin freiberuflich tätig. Mein Partner und ich bekommen Aufträge von allen möglichen Leuten, von Autoren, großen und kleinen Firmen, um nur einige zu nennen.“ Man merkte ihr an, wie zufrieden sie über den guten Ruf war, den sie und Don sich erworben hatten. „Wenn jemand Informationen braucht, finden wir immer Mittel und Wege, sie zu beschaffen.“
„Das klingt interessant.“ Der Scheich lächelte wieder.
„Ist es auch. Ich liebe meine Arbeit.“
„Das kann ich verstehen.“ Er betrachtete sie aufmerksam. Dann beugte er sich vor und fragte: „Was wollen Sie denn in Ras al-Houht herausfinden?“
Diese Frage hatte Amber von Anfang an erwartet und sich vorsichtshalber auf der Fahrt zum Palast eine Antwort zurechtgelegt.
„Ich brauche verschiedene Informationen. Zum einen ganz allgemeine über die Geschichte und die sozialen Strukturen des Landes, dann aber auch detailliertere, zum Beispiel über das Leben in einem Beduinencamp.“
„Ah ja. Da müssen Sie wirklich genau recherchieren, denn die Beduinen haben eine sehr eigene Lebensweise. Die meisten Araber, die von Beduinen abstammen und heute in der Stadt leben, haben die traditionelle Lebensweise völlig vergessen.“
Er hatte recht, das hatte Amber auch schon entdeckt, als sie sich mit Leuten in der Stadt unterhalten hatte.
„Gestern war ich mit einem einheimischen Dolmetscher in einem Beduinenlager nicht weit von hier“, fuhr sie fort. „Ich
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