JULIA GOLD Band 32
wurde. Das Zimmer war leer. Pippa ging hinein und blickte sich interessiert um. Ein modernes Doppelbett stand auf einem Podium, die Regale im Kopfbrett enthielten eine Büchersammlung, auf einer Kommode stand das gerahmte Foto einer schönen Frau. Pippa vermutete, dass es Hassans Mutter war. Abgesehen von dem Foto waren nirgendwo persönliche Erinnerungen oder Anhaltspunkte dafür, was er mochte und was nicht. Vielleicht würden ihr seine Bücher einen Einblick gewähren. Sie wollte, dass ihr Artikel die Ausstrahlung und den Intellekt des Mannes einfing.
Pippa stützte sich aufs Bett und las die Titel. Es waren hauptsächlich Bücher über Recht und Wirtschaft, sie entdeckte jedoch auch Kriminalromane und Biografien. Die größte Überraschung waren die Gedichtbände. Pippa nahm eine Sammlung von John Donnes Werken heraus, setzte sich aufs Bett und schlug das Buch an einer der Stellen auf, die mit einem Zettel markiert waren. Das Sonett war auch eines ihrer Lieblingsgedichte. Sie sah erschrocken auf, als sie Hassans tiefe Stimme hörte.
„Was für eine nette Überraschung. Aber ich wünschte, du hättest mir Bescheid gesagt. Ich lasse eine Dame nur ungern warten.“
„Ich habe nur …“ Herumgeschnüffelt, dachte sie verlegen.
Hassan setzte sich aufs Bett und nahm ihr das Buch weg.
„Ich wusste nicht, dass du Gedichte magst.“
„Du weißt sehr wenig über mich, doch das wird sich ändern.“ Er neigte sich zu ihr.
Pippa glitt schnell vom Bett und kam sich albern vor, als ihr klar wurde, dass er nur das Buch zurück aufs Regal stellen wollte. Warum überreagierte sie immer in seiner Nähe? Er hatte es bemerkt und amüsierte sich darüber. „Ich freue mich darauf, mit dem Interview zu beginnen“, sagte sie geschäftsmäßig. „Wir hatten gestern Abend keine Uhrzeit vereinbart, und als du heute Morgen nicht hier warst, dachte ich schon, du hättest es vergessen.“
„Dich zu vergessen ist schwierig. Besonders jetzt.“
„Warum jetzt?“
„Nachdem ich dich in meinem Bett gesehen habe, werde ich ständig hoffen, dass du eines Nachts zu mir kommst und bleibst.“
„Hör gefälligst auf damit, Hassan!“, rief Pippa verärgert. „Wir wissen beide, dass du mich nur nervös zu machen versuchst.“
Er lachte. „Tut mir leid, aber dich aufzuziehen ist wirklich lustig. Deine Wangen werden so schön rot.“
„Das bildest du dir ein. Ich werde nicht mehr rot, seit ich zwölf war.“
„Sieh in den Spiegel.“
„Es ist warm hier drin“, verteidigte sich Pippa. „Gehen wir ins andere Zimmer.“ Sie tat es, ohne auf eine Antwort zu warten.
Hassan folgte ihr lächelnd. „Fühlst du dich jetzt wohler?“
„Ja“, erwiderte Pippa kurz angebunden. „Hast du meinen Koffer aus dem Hotel holen lassen? Ich würde gern mit dem Interview anfangen.“
„Wozu brauchst du deinen Koffer?“
„Darin sind mein Tonbandgerät und meine Ersatzkamera.“
„Ich prüfe es nach.“ Hassan führte ein kurzes Telefongespräch, dann sagte er zu Pippa: „Jemand ist unterwegs. Sobald er zurückkommt, werden deine Sachen hierher in mein Apartment gebracht.“
„Wir können wohl erst einmal ohne anfangen, obwohl ich lieber alles auf Band habe. Damit vermeidet man Missverständnisse.“
Hassan lächelte. „Unsere Beziehung hat mit einem Missverständnis begonnen, und einige müssen wir immer noch klären. Erzähl mir etwas von dir.“
„Eigentlich wollte ich dich interviewen“, protestierte sie.
„Gibt es etwas, das ich nicht erfahren soll?“
„Nur dass mein Leben im Vergleich zu deinem sehr langweilig ist.“
„Das bezweifle ich. Eine so schöne Frau wie du muss schon viel Interessantes erlebt haben.“
„Nach Sharribai zu kommen ist das Aufregendste, was ich jemals gemacht habe. Hauptsächlich schreibe ich Artikel über extravagante Ereignisse, zum Beispiel über eine Geburtstagsparty, die eine Angehörige der oberen Zehntausend für ihren Hund gegeben hat.“
Hassan zog die Augenbrauen hoch. „Das muss ja wirklich ein Anblick gewesen sein, als er die Kerzen auf seiner Torte ausgepustet hat.“
„Es gab keine. Alle Gäste bekamen eine Schüssel mit Hundekuchen und eine Flasche Mineralwasser.“
„Ich hoffe, die Gäste waren auch Hunde.“
„Jeder preisgekrönt. Ihre Haarschnitte kosten mehr als meiner.“
„Auf so etwas hast du verzichtet, um nach Sharribai zu kommen?“, scherzte Hassan. „Ich fühle mich geschmeichelt.“
„Lass es. Ich habe Hintergedanken. Du wirst mich aus all dem
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