JULIA GOLD Band 32
hatte Hosen, T-Shirts, Pullover und ein einziges sehr schlichtes Kleid nach Sharribai mitgebracht. Schließlich hatte sie nicht erwartet, bei Hof eingeführt zu werden. Unzufrieden blickte sie sich im Spiegel an. Sie wollte unaufdringlich wirken, aber so schlicht nun auch wieder nicht. Das kurze weiße Seidenkleid brauchte irgendein buntes Accessoire, aber sie hatte nur eine schmale goldene Halskette dabei. Na schön, es war nicht zu ändern.
Hassan stellte sich hinter sie, umfasste ihre Taille und küsste Pippa auf den Hals. „Du siehst wunderschön aus!“
Sie lächelte gequält. „In dem alten Ding? Es ist so schlicht.“
„Du siehst bezaubernd aus.“ Hassan drehte sie herum, hob ihr Kinn an und blickte ihr tief in die Augen. „Dies wird der kürzeste Empfang aller Zeiten.“
„Los.“ Pippa straffte die Schultern. „Gehen wir nach unten, und bringen wir es hinter uns.“
Im Empfangssaal standen die Gäste plaudernd in Gruppen zusammen. Als Hassan und Pippa erschienen, herrschte plötzlich eine unheimliche Stille. Alle blickten starr Pippa an.
„Meine Damen und Herren“, sagte Hassan, „Sie wurden eingeladen, weil ich Ihnen einen Gast aus Amerika vorstellen möchte, Miss Pippa Bennington. Ich weiß, dass Sie alle sie freundlich aufnehmen werden.“
Kalid stand in der vordersten Reihe. „Was soll der Unsinn, Hassan? Die Frau ist eine Spionin! Anstatt ihr zu Ehren einen Empfang zu geben, solltest du sie einsperren lassen. Hast du völlig den Verstand verloren?“
„Du vergisst dich“, erwiderte Hassan kalt. „Zähl nicht zu sehr auf die Stärke der familiären Bande, Onkel.“
Kalids Gesicht rötete sich, aber Vorsicht gewann die Oberhand. „Ich habe nur das Wohl des Landes im Sinn. Und deins, natürlich. Diese Frau könnte eine ernste Gefahr darstellen.“
„Ihr Name ist Bennington, und es wird Zeit, die entstandenen Gerüchte aus der Welt zu schaffen. Miss Bennington ist hierhergekommen, um einen Artikel über Sharribai zu schreiben.“
„Vermutlich haben Sie Referenzen?“, fragte Kalid.
Sie wich der Frage geschickt aus. „Ich bin freiberufliche Bildjournalistin. Sie können es bei den Zeitschriften nachprüfen, für die ich gearbeitet habe.“
„Hast du das getan, Hassan?“
Analya trat vor. „Vielleicht ist er zu beschäftigt gewesen“, sagte sie spöttisch.
Seine Gesichtszüge wurden maskenhaft starr. „Wagt ihr es, mein Urteilsvermögen in Zweifel zu ziehen?“
Raysim stellte sich neben Analya. „Das haben die beiden sicher nicht gemeint. Sie hatten einfach noch nicht die Gelegenheit, Pippa kennenzulernen. Ich kann euch versichern, dass sie aus einem völlig harmlosen Grund hierhergekommen ist“, sagte er zu Kalid und Analya.
„Sie wird es interessieren, Miss Bennington kennenzulernen, Jarel.“ Hassan nickte einem Gast zu. „Fotografieren ist doch eins Ihrer Hobbys, stimmt’s?“
Die anderen machten dem Mann Platz. „Bilder sind wichtig“, sagte er. „Sie erregen die Aufmerksamkeit des Lesers.“
„Wie schön, einen anderen Enthusiasten zu treffen.“ Pippa lächelte. „Was für eine Kamera benutzen Sie?“
Er erzählte es ihr ausführlich und schilderte alle Probleme, die er mit Innenaufnahmen hatte. Pippa gab ihm einige Tipps. Er sah enttäuscht aus, als Hassan ihr weitere Gäste vorstellte. Sie fand heraus, wofür sie sich interessierten, und unterhielt sich mit ihnen darüber. Wenn sie nicht viel über das Thema wusste, stellte sie Fragen, die gern beantwortet wurden. Jedes Mal, wenn sie sich einem neuen Gesprächspartner zuwenden musste, sagte sie, sie hoffe, dass sie sich später länger würden unterhalten können. Alle waren von ihr begeistert und flüsterten sich schmeichelhafte Bemerkungen über sie zu. Hassan hatte so viel Zutrauen zu Pippas gesellschaftlichem Geschick, dass er sie nach einer Weile allein mit den Gästen verkehren ließ.
Nein, nicht alle waren von ihr bezaubert. Analya wartete ab, bis sie Pippa allein erwischte. „Vermutlich sind Sie sehr stolz darauf, Hassan dazu gedrängt zu haben, Sie heute Abend hierher mitzunehmen“, sagte sie höhnisch.
„Gerade Sie sollten wissen, dass sich Hassan nicht zu etwas drängen lässt, was er nicht will“, erwiderte Pippa.
„Meinen Sie, dieser lächerliche kleine Vorfall bedeutet irgendetwas? Sie sind eine Närrin, wenn Sie glauben, Hassan sei in Sie verliebt. Er amüsiert sich mit Ihnen, nichts weiter.“
„Das ist nur recht und billig. Ich finde ihn auch sehr amüsant.“
Analya
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