Julia Gold Band 47
in den Königspalast außerhalb von Jumani gebracht, wo Ernest Barrington gesund gepflegt wurde. Nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, hatte er kurz vor seiner Abreise als besondere Ehre eine Einladung zur Teilnahme an einer königlichen Jagd erhalten.
In der Wüste war auf den König ein Mordanschlag verübt worden, dessen Einzelheiten Pollys Vater im Laufe der Jahre immer weiter ausgeschmückt hatte. Grundlegend war damals offenbar Folgendes geschehen: Ernest Barrington hatte in der Sonne einen Gewehrlauf aufblitzen sehen, sich reaktionsschnell auf den König geworfen und ihn mit sich zu Boden gerissen. Dabei hatte er sich eine geringfügige Kopfverletzung zugezogen. Von Dankbarkeit überwältigt, hatte König Reija daraufhin erklärt, sein erstgeborener Sohn werde Ernest Barringtons erstgeborene Tochter heiraten.
„Glaubt mir, ich war völlig verblüfft“, pflegte Ernest Barrington an dieser Stelle der Geschichte vergnügt zu versichern. „Damals war ich ja noch nicht mal verheiratet. Aber die Geste symbolisierte offensichtlich die höchste Ehre, die der König jemandem zuteilwerden lassen konnte. Sie war besonders hoch zu bewerten, weil er Ausländern aus dem Westen gewöhnlich Misstrauen entgegenbrachte.“
Seitdem hatte Pollys Vater König Reija nicht wieder gesehen. Ernest Barrington war aus dem diplomatischen Dienst ausgeschieden, nachdem sein unverheirateter Onkel gestorben war und ihm einige Kilometer außerhalb von Worcester ein Gut hinterlassen hatte. Er hatte frohlockt, als er vor zwölf Jahren von einem älteren Diplomaten erfuhr, dass Raschid Prinz Achmeds Tochter Berah geheiratet habe.
Dennoch hatte die Familie Polly oft mit Raschid aufgezogen und sie daran erinnert, dass der Koran einem Moslem gestatte, vier Frauen zu haben. Doch bisher hatten alle die Vorstellung, Polly könnte einen arabischen Prinzen heiraten, höchstens komisch gefunden.
Erst als ihr Vater vor einem Monat in ernste finanzielle Schwierigkeiten geriet, kam er auf die Idee, die alte Bekanntschaft mit König Reija wiederaufleben zu lassen. Als dieser sich anlässlich eines diplomatischen Besuchs in London aufhielt, hatte Ernest Barrington ihn um eine Audienz gebeten.
„Ich werde ihn um ein Darlehen bitten“, hatte Pollys Vater hoffnungsvoll angekündigt. „Sicher wird er mir aus der Patsche helfen. Warum habe ich daran bloß nicht schon eher gedacht?“
Voller Zuversicht war Ernest Barrington zum vereinbarten Termin in die Dhareinische Botschaft gefahren. Nach all den Jahren fehlender Übung war es um Ernests Arabischkenntnisse schlecht bestellt, aber König Reija hatte in weiser Voraussicht einen Dolmetscher kommen lassen.
Natürlich waren die beiden Männer gleich am Anfang auf ihre Familien zu sprechen gekommen. Ernest hatte dem Monarchen stolz ein Foto seiner vier Töchter und des kleinen Sohnes gezeigt. Daraufhin hatte der König Ernest eröffnet, sein Sohn Raschid sei seit vier Jahren Witwer. Berah war im blühenden Alter von nur sechsundzwanzig Jahren auf tragische Weise ums Leben gekommen, nachdem sie gestolpert und eine steile Treppe hinuntergestürzt war.
„Natürlich habe ich dem König mein Beileid ausgesprochen. Nicht mal im Traum hätte ich für möglich gehalten, dass der alte Junge bereit war, sein Versprechen selbst nach fünfunddreißig Jahren einzulösen. Und irgendwie habe ich es in dieser Situation dann einfach nicht fertiggebracht, ihn um ein Darlehen zu bitten“, hatte Ernest der Familie gestanden. „Ich dachte, mich trifft der Schlag, als der König erklärte, er hätte schon lange ein schlechtes Gewissen, weil er sein Versprechen bisher nicht gehalten hätte. Natürlich habe ich ihm sofort versichert, dass ich das auch gar nicht erwartet hätte, aber das schien ihm nicht zu gefallen, und da war ich lieber still. Selbst als er mir danach Fragen über Polly stellte, hatte ich noch keinen blassen Schimmer, was er vorhatte.“
Polly hatte ebenso entsetzt wie ihre Mutter zugehört, während Ernest vorsichtig auf den Knackpunkt zusteuerte. „Der König beteuerte, es sei sein größter Wunsch, Raschid wieder verheiratet zu sehen. Daraufhin schüttelte er mir die Hand, und der Dolmetscher sagte: ‚Es ist also abgemacht‘. Und ich fragte, wie er das meine.
‚Mein Sohn wird Ihre Tochter heiraten‘, antwortete der König. Da war ich sprachlos und brachte keinen Ton heraus!“, hatte Pollys Vater gestanden und sich die schweißnasse Stirn gewischt. „Und gleich darauf fing er an, über den
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