Julia Gold Band 47
als Erstes auffielen. Sie waren von einem ungewöhnlich hellen Blau … so klar wie Gletschereis. Er stand reglos am Kamin und sah Polly auf eine Weise an, die sie erschauern ließ. Ernest trat hüstelnd den Rückzug an, dabei schob er seine Tochter sanft, aber bestimmt über die Schwelle, sodass er die Tür schließen konnte.
Pollys Beine versagten ihr den Dienst, und sie blieb wie angewurzelt stehen. Stumm wartete sie, dass der Mann, den sie heiraten sollte, lächelte oder etwas Charmantes sagte. Als sie seine Musterung nicht mehr ertragen konnte, blickte sie auf die Blumenvase, die links neben ihm stand.
„So schüchtern kannst du doch gar nicht sein.“ Er sprach mit einem leichten Akzent, und seine samtige Stimme hatte einen ironischen Unterton. „Komm her.“
Steif ging Polly um ein Sofa herum. Raschid kam ihr nicht entgegen. Doch mit jedem Schritt, den sie auf ihn zu tat, erschien er ihr bedrohlicher. Er musste gut einen Meter achtzig groß sein.
„Und jetzt lass dein Haar herunter.“
Hilflos blickte Polly ihn an. „M…ein Haar?“
„Wenn du meine Frau werden willst, musst du lernen, meine Anordnungen zu befolgen“, erklärte Raschid. „Ich befehle, und meine Frau gehorcht.“
Wie versteinert stand Polly da. Er sagte das so selbstverständlich, als würde er über das Wetter sprechen. Einen so arroganten Mann hatte sie noch nie kennengelernt. Sie zuckte zusammen, als Raschid unvermittelt auf sie zu trat und die Finger in ihr Haar schob.
Verwirrt schloss sie die Augen. Der Mann war verrückt, und Verrückten widersetzte man sich besser nicht. Er war ihr so nah – viel zu nah für ihren Seelenfrieden –, dass ihr sein herbes Rasierwasser in die Nase stieg. Raschid zog ihr die Haarnadeln heraus und ließ sie achtlos fallen.
„Du bist erstaunlich gehorsam“, stellte er fest, während er ihr seidiges blondes Haar betrachtete.
Widerstrebend blickte sie auf und musterte ihn ängstlich, aber auch neugierig. Er war athletisch gebaut und sah umwerfend gut aus. Selbst Polly hätte ihm einen zweiten Blick gegönnt, wenn er ihr auf der Straße begegnet wäre. Hohe Wangenknochen unterstrichen seine aristokratischen Züge, seine Haut hatte einen leichten Bronzeton, und über den leuchtend blauen Augen wölbten sich dunkle Brauen.
Raschids Ausstrahlung war so stark, dass es Polly den Atem verschlug. Doch trotz seiner ernsten Miene und des weltmännischen Auftretens spürte Polly, dass dieser Mann etwas Raubtierhaftes, Gefährliches an sich hatte, und wich instinktiv einen Schritt zurück.
Raschids Augen zeigten keine Regung, als er die sinnlichen Lippen zu einem kühlen Lächeln verzog. „Deine Scheu erscheint mir übertrieben. Ehrlichkeit ist mir wichtiger als alles andere. Es wäre also besser, du benimmst dich natürlich.“
Polly schwieg.
„Du bist noch sehr jung“, fuhr Raschid fort. „Hast du wirklich eine Vorstellung von dem Leben, das du als meine Frau führen wirst?“
Jedes Mädchen mit auch nur einem Funken Verstand würde diese Gelegenheit nutzen, sich noch in letzter Minute aus der Affäre zu ziehen, schoss es Polly durch den Kopf. Warum tat sie es nicht? Weil sie sich freiwillig zu dieser Heirat bereit erklärt hatte, wie Maggie mit Recht zu bedenken gegeben hatte.
„Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht.“
„Du weißt vermutlich, dass ich die Investmentfonds meines Landes verwalte und häufig im Ausland zu tun habe, während du als meine Frau in Dharein bleibst. Auf diesen Reisen wirst du mich nicht begleiten“, betonte Raschid. „Und du wirst in meinem Land auch nur mit Frauen zusammen sein. Du darfst selbst nicht Auto fahren und den Palast nicht allein oder unverschleiert verlassen.“
Raschid schwieg kurz, ehe er weiterredete: „Von dem Augenblick an, in dem du meine Frau bist, darf dich ohne meine Zustimmung kein anderer Mann anschauen. Selbst bei uns zu Hause werden wir getrennt essen. Vielleicht hast du gehört, dass gewisse Mitglieder meiner Familie diese traditionellen Regeln nicht mehr ganz so streng befolgen. Ich gehöre nicht dazu. Darauf möchte ich dich ausdrücklich hinweisen.“
Polly nickte nur.
Raschid atmete hörbar aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dir bisher viele Einschränkungen auferlegt hat. Soweit ich weiß, laden deine Eltern oft Gäste ein.“
„An den Festen habe ich selten teilgenommen.“ Polly dachte daran, wie verärgert ihre Mutter gewesen war, als sie sich als Elfjährige in einem Schrank versteckt hatte,
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