Julia Gold Band 47
mit den Bechern zurückkam, führte er von seinem Handy aus ein kurzes Gespräch. Eine halbe Stunde später fuhren sie mit dem Wagen von Bord und erreichten über eine Küstenstraße schließlich das Hotel.
Das großzügige Herrenhaus mit seinen dicken Mauern und alten Fensterscheiben machte Eindruck auf Emily. In einem so vornehmen Haus hatte sie noch nie übernachtet. Besonders gefiel ihr der mit Marmor ausgekleidete Speisesaal, wo ein Kaminfeuer prasselte. Doch so einladend die Villa auch wirkte, Emily war froh, dass sie ein bescheidenes Häuschen mit Seeblick gemietet hatte. Wie bescheiden es war, merkte sie allerdings erst, nachdem der Hoteljunge die Tür aufgeschlossen hatte: Es gab nur ein Schlafzimmer. „Ich habe zwei Schlafzimmer gebucht“, protestierte sie.
Der Junge blickte verständnislos. Ben versicherte, das Haus sei wundervoll, alles in bester Ordnung und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld. Emily blieb nichts anderes übrig, als Haltung zu wahren.
„Ich hoffe, es gibt einen bequemen Sessel für dich“, zischte sie, als sie wieder allein waren, und inspizierte dann das Haus. Im Wohnzimmer standen zwei Sessel vor dem Kamin. Hübsch, aber zu klein, um darin zu schlafen. Aus allen Fenstern blickte sie auf Büsche, Bäume und Wiesen, von dem größten aus übersah man die Bucht. Sie trat auf die Terrasse, setzte sich kurz in einen der beiden Liegestühle und genoss den herrlichen Blick über Wasser, Boote und kleine Inseln. Konnte sie Ben sechs Nächte in einem Liegestuhl zumuten?
Selbst eine kleine Küche mit Mikrowelle und Kühlschrank gab es. Sie entdeckte eine kalt gestellte Flasche Champagner und einen Schale mit Früchten. Alles war wunderschön, alles war perfekt. Nur ein weiteres Schlafzimmer fehlte. Das einzige vorhandene hatte nur ein großes Bett mit einem altmodischen Baldachin und zwei Daunendecken. „Oh nein“, stöhnte Emily auf.
„Um acht Uhr gibt es ein Orgelkonzert“, rief Ben aus der Küche. „Lass uns vorher noch ein bisschen segeln gehen.“
Bald darauf saß Emily in neuen Jeans, Windjacke und Segelschuhen im Boot. Ben hatte erst ihr, dann sich eine Schwimmweste angelegt, und nun saß sie unbeholfen da und beobachtete, wie er alles zum Ablegen vorbereitete.
„Wo hast du segeln gelernt?“, fragte sie.
„Zu Hause am Golf. Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich ein Kind war. Wir sind oft zusammen auf dem Wasser gewesen.“
„Segelst du auch in der Bucht von San Francisco?“
„Nein, ich habe mir nie Zeit dafür gegönnt. Aber ich hätte Lust dazu. Vielleicht kaufe ich ein Boot, wenn wir zurückkommen. Du wirst sehen, wie schön es ist, den Wind im Rücken zu haben und der Sonne entgegenzusegeln. Es ist ein herrlicher Sport.“
Er nahm ihre Hand und übergab ihr die Ruderpinne. „Du bist der Steuermann.“ Sie protestierte. „Doch, das lernst du. Du musst nur drei Manöver kennen. Vor dem Wind segeln, am Wind segeln und kreuzen. Achte nur auf mein Kommando und zieh das Ruder in die entgegengesetzte Richtung, in die wir fahren wollen.“
Als sich die Segel blähten und das Boot durchs Wasser glitt, brannten ihr Wind und Salz auf den Wangen. Ben stand in der Mitte des Bootes und lachte zu ihr herüber, gerade als eine Welle ins Boot schwappte und ihre Schuhe durchweichte. Aber sie lachte zurück. Seine Begeisterung war wie immer ansteckend.
„Wie fühlst du dich?“, schrie er ihr zu.
„Gut!“, rief sie zurück. Sollte sie ihm sagen, dass ihr mulmig zumute war und die nassen Füße sie quälten? Er hob anerkennend den Daumen, und sie erwiderte die Geste, obwohl der kalte Wind ihr unter die Jacke fuhr.
Noch nie hatte sie Ben so glücklich und strahlend erlebt. Wenn sie wieder zu Hause waren, wollte sie ihm zureden, wieder segeln zu gehen. Als seine Assistentin hatte sie sich immer die Freiheit erlaubt, ihm einen Ratschlag zu geben. Konnte sie das auch als seine Ehefrau? Oder würde sie zögern, sich in sein Leben einzumischen? Ben hatte in den letzten Jahren viel zu viel gearbeitet. Sie war nicht unschuldig daran. Sie hatte seinen Kalender mit Terminen zugepflastert. Er hatte sich zwar nie beschwert, aber …
„Kopf runter“, brüllte er. Sie hatte nicht aufgepasst, als der Großbaum auf die andere Seite schwang, und wurde am Kopf getroffen. Für ein paar Sekunden wurde ihr schwarz vor Augen, aber sie ließ die Ruderpinne nicht aus der Hand.
„Emily“, rief er. „Ist dir etwas passiert?“ Er ließ das Segel flattern und sprang zu ihr herüber.
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