Julia Gold Band 47
stand eine beängstigende Wende bevor.
Das Problem, wo sie die Nächte verbringen sollte, verschob sie auf später. Jetzt wollte sie nur noch raus aus diesem Haus, sich unter Menschen begeben, nicht allein sein mit dem Mann, der auf dem Papier ihr Ehemann war. Er weckte Wünsche in ihr, die nicht in Erfüllung gingen.
Ben hatte es sich vor dem Kamin gemütlich gemacht und ließ die Zeitung sinken, als Emily das Wohnzimmer betrat. Sie war ungeschminkt und hatte noch feuchte Locken. „Was für eine strahlende Erscheinung!“, sagte er lächelnd, „Wenn die Leute dich sehen, haben sie etwas zu reden.“
Er meinte, was er sagte. Ihr Gesicht war schöner denn je, und auch ihr Körper kam in der neuen Kleidung endlich zur Geltung.
„Das ist doch Unsinn“, sagte sie. Aber sein Kompliment ließ sie doch erröten. Und das hatte er beabsichtigt. Er wollte ihr zeigen, wie hübsch er sie fand. Vielleicht würde sie ihm eines Tages glauben.
Die Nachmittagssonne schien durch die bunt verglasten Oberlichter des Musiksaals und bot ein zauberhaftes Schauspiel. Emilys Augen wurden groß vor Staunen. Sie lächelte ihn an, und er lächelte zurück.
Als die Orgel einsetzte, nahm er ihre Hand. Aber sie war so sehr in die Renaissance-Musik vertieft, dass sie es nicht zu bemerken schien. Er betrachtete von der Seite ihre gerade Nase, ihren süßen Mund. Der Hochzeitskuss kam ihm wieder in den Sinn. Er lehnte sich zur Seite, bis sich ihre Arme berührten, und drückte ihre Hand. Sie schaute ihn an. Und in ihren Augen konnte er lesen, dass sie seine Nähe genoss.
Er war fest entschlossen, noch heute herauszufinden, wie weit er gehen durfte. Ein Kuss wäre das Wenigste. Ein hingebungsvoller, noch leidenschaftlicherer als vor dem Altar. Und das Äußerste … Bens Fantasien überschlugen sich, und sein Herz klopfte wild. Ja, er wollte Emily erobern, am liebsten noch heute Nacht.
Nach dem Konzert fuhren sie in die Stadt und aßen direkt am Wasser regionale Spezialitäten, Suppe aus Wildpilzen und gegrillten Lachs. Danach gingen sie auf dem weitläufigen Gelände ihres Hotels spazieren. Immer wieder schlug er vor, ins Haus zurückzukehren, aber Emily gab vor, noch nicht alles erkundet zu haben. Allmählich dämmerte ihm, dass sie den Rückweg absichtlich hinauszögerte.
„Bist du noch gar nicht müde?“, fragte er, als ihr einfiel, die Bibliothek im Herrenhaus zu besichtigen.
Noch bevor sie Nein sagen konnte, ertappte er sie beim Gähnen und bestand darauf, dass sie umkehrten.
„Mach dir keine Sorgen, ich werde nicht wieder versuchen, in deinem Bett zu schlafen“, sagte er.
„Du schläfst heute im Bett. Wir wechseln uns ab. Alles andere wäre unfair.“
„Dann gehört es diese Nacht dir.“
Aber Emily bestand darauf, auf dem Boden zu schlafen. Ben betrachtete ihr eigensinniges Kinn und zuckte die Schultern. Bei jeder Verhandlung gab es einen Punkt, wo man nachgeben musste, um das eigentliche Ziel zu erreichen. Und das stand ihm klar vor Augen. Er wollte nicht nur neben seiner Frau schlafen, er wollte mit ihr schlafen. War das nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit? Aber als er Emily mit erhobenem Kopf ins Schlafzimmer gehen sah, zweifelte er daran und wusste, dass es schwierig werden würde.
Wie verführte man eine Frau? Mit Einfühlungsvermögen? Mit Diplomatie? Mit Charme? Er wollte es richtig machen, fühlte sich aber letztlich wie ein Anfänger. Er hatte nämlich noch nie eine Frau verführt. Es war einfach nicht nötig gewesen. Emily war die erste Frau, die er als Herausforderung empfand. Vielleicht reizte es ihn deshalb, aus dieser Reise eine richtige Hochzeitsreise zu machen.
Für die Abmachung, in ihrer Scheinehe auf Sex zu verzichten, hätte er sich jetzt ohrfeigen können. Nun musste er zu seinem Wort stehen. Es sei denn, sie machte den ersten Schritt. Aber danach sah es nicht aus. Sie sah in ihm ihren Chef und sonst nichts. Ihre Augen und ihre Stimme machten ihm da wenig Hoffnung. Wie um Himmels willen sollte er sie dazu bringen, in ihm den Ehemann zu sehen?
Emily kramte in ihrem Koffer und wünschte sich nichts sehnlicher als ein anständiges Nachthemd. Ein warmes, großes, alles verhüllendes. Am liebsten einen Flanellschlafanzug, aber sie hätte auch mit einem weiten Sweatshirt und Leggings vorliebgenommen. Doch Peggy hatte ganze Arbeit geleistet und den Koffer für eine richtige Braut gepackt.
Also zog sie sich ein elfenbeinfarbenes Satinnachthemd an, das wenigstens nicht durchsichtig war, griff
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