Julia Gold Band 53
seine Lippen auf ihrem Mund spürte, traten alle Fragen in den Hintergrund. Es gab nur noch sie beide.
Auf dem Anrufbeantworter waren bereits zehn Nachrichten, als Mariah gegen Mittag nach Hause kam, und das bedeutete vermutlich Ärger. Alle bis auf drei waren von Jane.
Es gab Aussagen wie: „Die Diva macht mich wahnsinnig, ich muss einfach Dampf ablassen.“ Oder: „Wo steckst du, verflixt?“ Oder: „Ruf mich sofort zurück, oder ich gehe zur Polizei und melde dich als vermisst!“
Nachdem Mariah sich umgezogen und Zayad mitgeteilt hatte, dass sie sich später sehen würden, nahm sie den Telefonhörer ab. Sie zögerte, denn sie hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatte Jane nichts von dem Kurzurlaub erzählt, denn sie hatte nur an Zayad gedacht und ihre beste Freundin darüber schlicht vergessen. Da sie während ihrer Ehe jahrelang zugelassen hatte, dass ein Mann ihr Denken und Handeln beherrschte, fand sie das bedenklich.
„Ich könnte dich auf der Stelle umbringen“, fauchte Jane, aber es klang eher erleichtert als böse.
Ungerührt gab Mariah zurück: „Zum Glück bist du hundert Meilen entfernt.“
„Stimmt.“ Jane beruhigte sich. „Wie geht es deinem Fuß?“
„Viel besser“, sagte Mariah. „Es tut mir leid, dass ich dich nicht über meine Abwesenheit informiert habe, aber es war ein spontaner Entschluss. Das verstehst du doch?“
„Absolut nicht, denn ich kann mich nicht erinnern, wann du das letzte Mal etwas Spontanes getan hast. Schon gar nicht mit einem Kerl.“
„Dieser Kerl“, sagte Mariah und seufzte tief. „So ungern ich es zugebe, er bringt mich dazu, meine Pflichten zu vergessen, meinen schmerzenden Fuß, und wenn ich nicht aufpasse, sogar noch meinen Namen.“
„Und alle Vernunft, wie?“ Janes leichte Verärgerung war verflogen, sie lachte.
„Die leider auch.“
„Ich kann es nicht fassen, dass du etwas mit dem neuen Nachbarn angefangen hast“, empörte sich Jane. „Das ist ja wie in einer kitschigen Vorabendserie.“
„Er wird nicht mehr lange unser Nachbar sein.“
„Was soll das heißen? Wohin will er?“
„In seine Heimat zurück.“ Die Worte fühlten sich auf ihrer Zunge an wie Sandpapier.
„Was? Er verlässt dich nach alldem?“
Mariah atmete tief durch. In den vier Jahren, die sie jetzt mit ihrer Freundin zusammenwohnte, hatte sie immer gemeint, dass Jane den stärkeren Einfluss auf sie hatte. Sie hatte immer gehofft, dass ein wenig von Janes Optimismus auf sie abfärbte. Doch in Wahrheit hatte ihre negative, realistische Einstellung auf Jane abgefärbt, und nun sah Mariah sich mit ihren alten Ängsten konfrontiert.
Eine weitere Ironie des Schicksals.
Mariah wollte nicht länger missmutig durch das Leben gehen. Sie hatte wieder Geschmack an der Liebe gefunden. Wenngleich sie nicht von Dauer sein würde, so schmeckte sie doch würzig und süß. Und sie wollte mehr davon, egal, wie die Konsequenzen aussahen.
„Jane, er hat einen Sohn, musst du wissen. Er kann nicht bleiben, weil er in Redets Nähe sein möchte. Du kennst meine Ansichten zu diesem Thema.“
Jane schwieg eine Weile. „Klar, und ob ich die kenne. Kannst du nicht zu ihm ziehen?“
„Davon hat er nichts gesagt, und ich werde es natürlich erst recht nicht ansprechen.“
„Warum nicht?“
„Ich will mich ihm nicht aufdrängen. Das würde aussehen, als wollte ich klammern, und er bekäme das Gefühl, in der Falle zu sitzen.“
„Aber vielleicht braucht er ein bisschen …“
Jane stockte mitten im Satz. Mariah vernahm einen schrillen Schrei aus dem Hintergrund und dann einen Fluch von Jane.
„Ich muss auflegen, Mariah“, sagte Jane. „Cameron Reynolds ruft mich. Wir sehen uns ja bald, nicht?“
„Sicher.“
„Und tu nichts, was du hinterher bereust.“ Sie lachte. „Halt, nein, das nehme ich zurück. Nimm’s dir. Lass die Champagnerkorken knallen und amüsier dich. Du hast es verdient.“
Mit einem Lachen legte Mariah auf. Sie war nicht der Typ für Champagner, aber noch ein paar Nächte mit Zayad wären herrlich. Sie ging zum Fenster und schaute zu dem Gartenhaus hinüber, wo besagter Mann sich gerade sportlich betätigte.
In der Suite im Wellnesscenter hatte sie Romantik pur erlebt. Aber jetzt waren sie wieder im Alltag angelangt. Würde sich etwas ändern, würde es jetzt peinliche Momente geben? Schließlich brauchte Zayad sie nicht mehr zu pflegen, ihrem Fuß ging es besser. Jetzt waren sie ein Liebespaar und Freunde.
Mariah verließ den Platz am Fenster,
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