Julia Gold Band 53
einen weiteren Streit mit Jane über das Thema Zayad, doch dann besann sie sich eines Besseren und setzte sich auf den Boden des Badezimmers. „Ich gebe nicht nach.“
„Klar.“
„Im Ernst.“
„Klar.“
Mariah seufzte. „Die Tatsache bleibt bestehen, dass er mich belogen hat.“
„Die Frage ist nur, wie man die Tatsachen interpretiert.“
„Komm mir jetzt bitte nicht mit schlauen Sprüchen.“ Mariah musste lachen.
Jane nahm auf dem Toilettendeckel Platz. „Also, okay. Ja, er hat dich belogen. Er hat eine Sünde begangen. Aber davon geht die Welt nicht unter.“
Als Mariah den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, brachte Jane sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Er hat dich nicht betrogen, Mariah. Er hat dich nicht gedemütigt. Er ist nicht Alan.“
„Ich weiß, dass er nicht Alan ist.“
„Das weißt du eben nicht.“
Mariah verdrehte die Augen und seufzte noch einmal. „Okay, stimmt. Vielleicht habe ich in dieser Beziehung ein paar Probleme und kann das nicht richtig auseinanderhalten.“
Jane legte Mariah eine Hand auf den Bauch. „Jetzt musst du es aber.“
Ein Schauer lief Mariah über den Rücken. Dieser Moment, als sie das Ergebnis des Schwangerschaftstests betrachtet hatte, stellte vielleicht wirklich so etwas wie einen Wendepunkt dar. Einen Moment, an den man sich noch nach Jahrzehnten erinnerte und sich entweder sagte, dass man einen Riesenfehler gemacht oder dass man genau die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Sie spielte mit den Fransen der Fußmatte. Sie würde lernen müssen zu verzeihen. So viel war sie sich schuldig und dem Baby erst recht. Sie musste sich dazu durchringen, ihren Fehler zu korrigieren. „Übrigens, Tante Jane, du hörst dich ganz so an, als hättest du diese Al-Nayhal-Prinzessin-Geschichte für dich akzeptiert.“
Jane zuckte mit den Schultern. „Dafür hat meine Mutter gesorgt. Sie ist Feuer und Flamme. Ich glaube, Zayad hat sie maßlos beeindruckt.“
Kein Wunder, dachte Mariah.
„Jedenfalls“, fuhr Jane fort, „hat sie mir die ganze Geschichte erzählt, mir alles erläutert, mir klargemacht, dass ich nun einmal eine Al-Nayhal bin und es sinnlos ist, das leugnen zu wollen.“
„Aber es plötzlich mit einer neuen Familie aufzunehmen, das ist doch allerhand“, wandte Mariah nachdenklich ein.
„Sicher.“ Janes Augen strahlten. „Und ich finde es wunderbar. Gestern Nachmittag habe ich mit Sakir telefoniert. Er ist unheimlich nett und seine Frau auch.“
Mariah musterte ihre Freundin eingehend. „Du gehst also nach Emand, richtig?“
Jane nickte.
„Und wann?“
„Tara und ich fliegen am Freitag.“
Mariah horchte auf. „Tara?“
„Sie möchte Emand auch sehen, jedenfalls auf ihre Weise. Es wird ja wohl langsam Zeit, findest du nicht?“
Mariahs Magen zog sich zusammen. Ihr gewohntes Leben war endgültig vorüber. „Und Zayad hat nichts dagegen, dass Tara mitkommt?“
„Es war seine Idee.“
„Du hast mit ihm gesprochen?“ Auf einmal hatte Mariah das Gefühl, als lasteten zentnerschwere Gewichte auf ihr.
„Gestern Abend.“
„Hat er etwas gesagt über …“ Mariah schüttelte den Kopf. Sie würde nicht fragen, ob er sie vermisste, ob er sie noch liebte, ob er wollte, dass auch sie nach Emand kam.
Jane beantwortete die unausgesprochene Frage von sich aus. „Er liebt dich so sehr, Mariah.“
Wieder schüttelte Mariah den Kopf.
Jane ließ nicht locker. „Aber er will dich nicht drängen.“
„Vielleicht muss ich gedrängt werden.“ Sie lehnte sich an die kalte Badewanne und seufzte. „Was soll ich nur tun, Jane?“
„Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen.“
„Okay, ich höre.“
Tränen standen in Janes Augen, als sie sich neben Mariah hinkniete und ihre Hand nahm. „Jedes Kind hat das Recht, seinen Vater zu kennen.“
Mariah machte große Augen, als Fandal mit ihr durch das schmiedeeiserne Tor vor dem Sultanspalast fuhr. Alles war so, wie Zayad es beschrieben hatte. Da gab es goldene Türme, einen wunderschönen Park und die weiten gelbbraunen Sandflächen in der Ferne.
Der Palast war ein Märchenschloss, in dem man mit fliegenden Teppichen, übermütigen Feen und natürlich Aladins Wunderlampe zu rechnen hatte.
Aber es war kein Märchen, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals hinauf, als sie auf den Eingang zuging. Dies war das wirkliche Leben, und bald würde sie erfahren, wie diese Sache endete.
Sie hatte lange und gründlich über ihre Zukunft und die ihres Kindes nachgedacht.
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