Julia Gold Band 53
abgeworfen zu werden, müssen Sie mehr können, als auf einem zahmen Reitschulpony oben zu bleiben.“
„Das bezweifle ich nicht, aber ich hatte einen guten Lehrer. Befürchten Sie nicht, dass man mich hier entdecken könnte? Möglicherweise schickt man Suchhubschrauber los.“ Sie strich sich übers Haar. „Mich kann man nur schwer übersehen.“
„Ja, Sie fallen sofort auf.“ Er lächelte zuversichtlich. „Aber ihr Haar ist kein Problem. Mit der richtigen Tarnung sind Sie so gut wie unsichtbar. Warten Sie hier.“
Wenige Minuten später kehrte Hassan mit einer rot-weiß karierten Keffiyeh zurück, die er ihr reichte. Rose faltete sie auseinander und bedeckte ihren Kopf damit, verharrte dann jedoch mitten in der Bewegung. Das Tuch war größer, als sie erwartet hatte, und sie wusste nicht recht, was sie damit anfangen sollte. Spontan hielt sie ihm die Enden hin und sah ihn hilflos an.
Einen Moment lang dachten sie beide an den Seidenschal, den sie getragen hatte, und daran, was Hassan damit gemacht hatte. Schließlich atmete er tief durch. „Kommen Sie“, sagte er. „So geht das.“
Rasch drapierte er Rose das Tuch um den Kopf und die untere Gesichtshälfte, dabei faltete er es und zupfte es zurecht. Und obwohl er sie dabei nicht berührte, überliefen sie leichte Schauer.
„So. Das wär’s.“
„Danke“, meinte sie nur leise, weil ihr Mund plötzlich ganz trocken war.
„Ich danke Ihnen, Rose, dass Sie das mit Nadeem verstehen. Wenn Abdullah davon erfahren würde …“
„Schon gut. Würde ich mich in Nadeems Haus verstecken, würde ich kaum zu meinem Knüller kommen.“
Seine Augen blitzten, dann hielt Hassan ihr einen goldbesetzten Kamelhaarumhang hin, den er über dem Arm getragen hatte.
Rasch drehte Rose sich um und schlüpfte in die breiten Armlöcher des Umhangs. Er war federleicht und umwallte sie sanft in der frischen Brise, die von den Bergen ins Zelt wehte.
„Jetzt sehen Sie fast wie ein Beduine aus“, bemerkte Hassan und legte sein schwarzes Gesichtstuch an.
Sie strich sich übers Kinn. „Bis auf den Bart.“ Prüfend betrachtete sie ihn. „Aber Sie tragen keinen. Wie kommt das?“
„Sie fragen zu viel“, erklärte er und schob sie durch den Zelteingang in den hellen Morgensonnenschein hinaus.
„Das gehört zu meinem Beruf. Und Sie geizen mit Antworten.“
Ohne darauf einzugehen, führte er sie zu den wartenden Pferden. Eins davon war ein herrlicher schwarzer Hengst, der genau dem in dem Roman beschriebenen entsprach. Ob Hassan dieses Tier bewusst ausgesucht hatte?
Das andere Reitpferd war ein etwas kleinerer, ebenso edler Brauner. „Wie heißt er?“, fragte Rose und streichelte den Hals des Tiers.
„Iram.“
Sie flüsterte seinen Namen, und das Pferd spitzte die Ohren und hob den rassigen Kopf.
Als sie die Zügel ergriff, hielt Hassan ihr die gefalteten Hände zum Aufsteigen hin und hob sie in den Sattel, bevor er die Steigbügel justierte. Es war lange her, dass sie zum letzten Mal im Sattel gesessen hatte, doch das Tier wirkte ganz ruhig.
Hassan saß nun ebenfalls auf, sah sie fragend an und nickte zufrieden. Die Pferde stürmten los.
Im ersten Moment schien es Rose, als würden ihr die Arme abgerissen. Glücklicherweise war Hassan bereits so weit vor ihr, dass er ihren beschämenden Kampf mit dem angeblich so zahmen Tier nicht mit ansehen konnte.
Doch als er sein Pferd zügelte und sich zu ihr umdrehte, hatte sie den Braunen bereits im Griff und schoss mit fließenden Bewegungen an ihm vorbei. Er galoppierte ihr nach, überholte sie und ritt voran, dabei flatterte sein schwarzer Umhang im Wind. Der Anblick stachelte sie an, und als Hassan sein Pferd schließlich auf einem Felsvorsprung zum Stehen brachte, lachte sie übermütig und atemlos nach dem scharfen Ritt. Auch er lachte.
„Sie dachten, ich würde mit ihm nicht fertig werden, stimmt’s?“, fragte sie.
„Im ersten Moment nicht. Aber Sie sind eine ausgezeichnete Reiterin.“
Rose lächelte. „Na ja, es ist schon eine ganze Weile her, dass ich das letzte Mal auf einem Pferd gesessen habe.“
Hassan stieg vom Pferd und ergriff die Zügel. „Wer hat es Ihnen beigebracht?“
„Jemand, der mir nahestand.“
Er drehte sich um und sah sie durchdringend an. „Ein Mann, würde ich sagen. Sie reiten wie ein Mann.“
Sie senkte den Blick. „Ja, ein Mann. Ein Pferdezüchter. Er besaß herrliche Pferde.“ Liebevoll tätschelte sie den Hals des Braunen. Das Geräusch, der Geruch des Leders und das
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