Julia Gold Band 53
unbedingt einen so gut sitzenden schwarzen Anzug tragen, bei dem offensichtlich keine Polster nötig waren, um seinen maskulinen Körper voll zur Geltung zu bringen?
Schaut her, schien seine ganze Haltung zu sagen, wie großartig ich bin.
Hannah presste die Lippen zusammen, als sie die Blicke der anderen Fluggäste wahrnahm. Sollten sie alle von ihm beeindruckt sein, sie jedenfalls war es nicht. Sie atmete tief ein und aus und zählte bis zwanzig. Wieder streifte ihr Blick seine Gestalt. Überwältigend. Sein gestärktes weißes Hemd kontrastierte auf vorteilhafteste Weise mit der Sonnenbräune seines Gesichts und seines Halses, und sie erinnerte sich nur zu gut, wie glatt sich seine Haut anfühlte.
Dass dieser Mann rein körperlich so stark auf sie wirkte, ließ sie vor Zorn erbeben, und damit niemand sah, wie ihre Hände zitterten, umklammerte sie ihren Reisepass. Sogar ihre Fingerspitzen schienen sich an seine samtweiche Haut zu erinnern und überfluteten ihren gesamten Körper mit erotischen Reizen.
Was für eine Idiotin sie doch war! Sie konnte doch nicht plötzlich wieder achtzehn Jahre alt sein, nur weil ihr Körper verrückte Erinnerungen hatte! Zugegeben, er sah unverschämt gut aus, aber deshalb konnte sie doch nicht in aller Öffentlichkeit beginnen, einen Veitstanz aufzuführen. Außerdem sollte sie doch zwischenzeitlich gelernt haben, dass sein Wesen nicht seinem Äußeren entsprach.
Ihr Magen zog sich zusammen. Er drehte sich in ihre Richtung. Und mit einem kalten Blick schaffte er es, ihre aufgewühlten Gefühle zu Eis erstarren zu lassen. Der Blick seiner Augen – dieser endlos tiefen braunen Abgründe, in denen sie früher einmal glücklich versank – war heute so hart und kalt wie der Schnee auf den Berggipfeln. An seiner gesamten Haltung konnte sie deutlich ablesen, wie sehr er sie ablehnte. Welten lagen zwischen ihnen. Trotz des milden marokkanischen Klimas fröstelte sie.
Khalils Oberlippe kräuselte sich verächtlich, während sein abschätzender Blick langsam über ihr schimmerndes Haar zu ihren sorgfältig getuschten Wimpern und ihren vollen roten Lippen glitt, die sich jetzt vor Ärger leicht zu einem Schmollmund verzogen.
Der Zynismus stand deutlich in seinen Augen geschrieben, als er sah, wie eine Bewegung der Abwehr ihre gepolsterten Schultern noch breiter werden ließ. Sichtlich angewidert ließ er seinen Blick abwärts sinken, dorthin, wo ihre Brüste sich rund und fest unter der Jacke abzeichneten. Kerzengerade und stolz aufgerichtet, hielt sie seiner unverschämten Musterung stand und kochte innerlich vor Zorn angesichts seiner immer deutlicher werdenden Verachtung. Für wen, zum Teufel, hielt er sich?
Khalils breite Brust hob sich ein wenig, als sein musternder Blick bei ihrer zarten Taille und ihren runden Hüften angelangt war, und dann, nach einer flüchtigen Begutachtung ihrer langen, schlanken Beine, schaute er ihr voll ins Gesicht, und ihre Augen trafen sich.
Ihre blauen Augen funkelten vor Zorn. Hochmütig zog er eine Augenbraue hoch. Deutlich sichtbar für ihn bebte Hannah vor aufgestauter Wut, und das schien ihm zu gefallen.
„Mit den Funken aus deinen Augen könnte man spielend ein Feuer anzünden“, bemerkte er trocken.
Der volle Klang seiner Stimme traf sie gänzlich unvorbereitet, erreichte ungehindert ihr Gemüt und verdrehte ihr augenblicklich den Kopf. Verzweifelt kämpfte sie um ihren klaren Verstand, um ihre Sinne wieder unter Kontrolle zu bekommen.
„Ich und Feuer anzünden? Aber hoffentlich nicht bei dir“, erwiderte sie mit schneidender Stimme. Ihre Angst ließ sie zum Angriff übergehen. „Mir liegt nichts daran, einen Eisklotz im Konfektionsanzug zum Schmelzen zu bringen.“
„Keine Sorge“, konterte er, und hoch aufgerichtet in seinem maßgeschneiderten Anzug, gab er arrogant zurück:
„Billige Angebote haben mich nie interessiert.“
„Meinst du etwa mich damit?“, fragte Hannah, nach Luft schnappend.
Er zuckte beiläufig mit seinen breiten Schultern. „Wenn dir der Schuh passt, Hannah …“
Damit war sein Interesse an ihr offenbar erschöpft. Er wandte sich dem Mann mit dem Schild zu, dankte ihm auf Französisch und gab ihm ein paar Münzen. Dann warf er ihr einen spöttischen Blick zu und meinte:
„Willkommen in Marrakesch, Hannah.“
Welch herzliche Begrüßung! Zwischen ihnen herrschte noch Krieg, das hatte sie zwischenzeitig begriffen. Nun gut, dachte sie, den kann er haben. Ich werde nicht um Gnade betteln. Was er
Weitere Kostenlose Bücher