Julia Gold Band 53
fragte, ob er sich überhaupt schon rasierte – ihr Handgelenk und den stark geschwollenen Knöchel untersucht. Mit demselben Akzent wie ihr Nachbar teilte er ihr mit, dass ihre Hand geprellt war.
„Ich fürchte, der Knöchel ist verstaucht“, sagte er und sah sie mit seinen dunklen Augen besorgt an. „Ich verschreibe Ihnen ein leichtes Schmerzmittel und werde Ihnen eine Schiene und Krücken bringen. Sie sollten die Verletzung röntgen lassen. Inzwischen brauchen Sie absolute Ruhe. Sie dürfen den Fuß ein paar Tage lang nicht belasten.“
Mariah schüttelte den Kopf. „Ich kann unmöglich im Bett bleiben, ich habe unglaublich viel Arbeit.“
„Dann werden Sie im Bett arbeiten müssen, junge Frau.“
Mariah musste sich auf die Zunge beißen, um nicht laut loszulachen. Nannte dieser Knabe sie doch tatsächlich junge Frau!
„Ich bin Anwältin und muss einen wichtigen Fall bearbeiten. Es geht um Menschenleben“, erklärte sie. Das musste er doch verstehen. „Wenn ich nicht aufstehe, kann ich die Verhandlung in drei Wochen vergessen, und eine liebevolle Mutter bekommt weder das Sorgerecht noch Unterhalt für ihre zwei Kinder.“
Der Arzt versuchte, Verständnis zu zeigen. „Gewiss, Miss Kennedy. Aber wenn Ihr Fuß heilen soll, befolgen Sie meinen Rat. Und Sie brauchen jemanden, der Sie versorgt.“
Jetzt schaltete sich Zayad ein. „Ihre Mitbewohnerin kommt wann zurück?“
„In einer Woche.“
Sein Mund wurde schmal. „Haben Sie eine Freundin, die aushelfen könnte?“
„Eher nicht.“ Jane war ihre einzige Freundin. Nach der Scheidung hatte sie niemanden an sich herangelassen. Natürlich hatte sie nette Kolleginnen, aber darunter war keine, die sie gern um Hilfe bitten würde.
„Und Verwandte?“, fragte Zayad weiter.
Mariah schüttelte den Kopf.
„Keinen Mann in Ihrem Leben?“
„Nein, es gibt keinen.“ Mariah bekam heiße Wangen.
Zayad empfand Erleichterung, als er das hörte, vermied es jedoch lieber, darüber nachzudenken, weshalb. Er hatte Wichtigeres zu erledigen, als sich um seine Gefühle für diese Frau zu kümmern. Zum Beispiel musste er mit seiner Schwester sprechen.
Er beobachtete, wie Mariah auf dem Bett ihr Gewicht verlagerte. Sie war so schön, so zart, wie sie da vor ihm lag, in das große weiße Handtuch gewickelt, mit nackten Beinen. Er musste sich zusammenreißen und ermahnte sich, dass es närrisch wäre, zu ihr ins Bett zu steigen, das Handtuch wegzuziehen und ihren Körper zu liebkosen.
Sie war verletzt, und er durfte sein Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Er hatte darüber nachgedacht, wie er vorgehen sollte. Er wollte seiner Schwester gern nachfahren, ihre Vorlieben und Interessen erforschen. Das hatte er sich gründlich durch den Kopf gehen lassen, während er zum Telefon gegangen war, um den Arzt anzurufen. Doch er hatte sich dagegen entschieden. Es würde einen sehr seltsamen Eindruck machen, wenn er Jane von Ventura nach Los Angeles folgte, als hätte er zweideutige Absichten. Auf diese Weise würde er keine Antworten auf seine Fragen bekommen.
Er bemerkte, dass Mariah ihn immer noch ansah, und plötzlich hatte er eine Idee.
Die Antworten würde Mariah ihm geben, Jane Hefners Freundin, sobald sie wieder hergestellt wäre.
Da kam Zayad ein neuer Gedanke.
Er war kein Krankenpfleger, aber sein Wunsch, mehr über die Vergangenheit und das gegenwärtige Leben seiner Schwester zu erfahren, spornte ihn an. Er würde für ein paar Tage in Mariah Kennedys Welt eintauchen.
Ein interessantes, wenn auch riskantes Vorhaben.
Er wandte sich an Dr. Adair, den Sohn seines Leibarztes in Emand. „Ich werde das Mädchen pflegen.“
Adair riss die Augen auf. „Hoh… Sir, ich glaube nicht …“
„Es ist beschlossene Sache“, unterbrach Zayad ihn rasch.
„Wie bitte?“ Mariah starrte ihren Nachbarn mit großen Augen an.
Ungerührt sprach Zayad weiter mit Adair. „Ich wohne direkt nebenan. Ich kann für sie kochen, sie baden und so weiter.“
„Halten Sie das wirklich für klug, Sir?“
„Ja.“ Sein Ton duldete keinen Widerspruch, und der Arzt nickte ergeben.
„Entschuldigung!“ Mariah setzte sich unvermittelt auf. Ihre Augen funkelten wie die einer wütenden Tigerin, ihre Stimme klang scharf. „Erstens bin ich kein Mädchen. Zweitens wird mich niemand baden.“
Zayad wandte ein: „Ich meinte ja nur, ich gehe Ihnen zur Hand, falls Sie …“
„Ich brauche keine zusätzlichen Hände“, zischte sie.
„Das fürchte ich aber doch, Miss Kennedy.“
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