Julia Liebeskrimi Band 09
an der Hand und ging zu einem Stuhl, wo sie sich hinsetzte und die beiden auf ihren Schoß zog.
„Justine, wirst du mir zuliebe ein tapferes Mädchen sein?“
„O ja!“, sagte die Kleine mit vor Aufregung glänzenden Augen.
„Und weißt du noch, was du machen musst, wenn Howard Lee zurückkommt?“
Mary ließ sich von Justine jeden einzelnen Schritt herunterbeten, den sie ihr vorher eingetrichtert hatte, und lobte die Kleine, nachdem sie alles richtig aufgezählt hatte. Dann schaute sie auf Amy Anne. Sie war so klein und still – ein winziges Püppchen mit riesigen blauen Augen. „Und du weißt auch, was du tun musst, Honey?“
Amy Anne schaute stumm auf ihre Schuhe. Mary legte ihr einen Finger unters Kinn und hob sich ihr Gesicht entgegen.
„Amy Anne … willst du wieder nach Hause?“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen – und endlich nickte sie.
Mary legte ihr die Handflächen an die Wangen. „Und wirst du mit Justine weglaufen, wenn ich es sage? Wirst du so schnell du kannst laufen und dich nicht umdrehen?“
Die Kleine nickte erneut.
„Gut, Mädchen. So, und jetzt versteckt euch dort, wo ich es euch gesagt habe. Ich richte inzwischen die Betten so her, dass es aussieht, als ob ihr schlaft. Ich werde dafür sorgen, dass Howard Lee auf mich zukommt. Sobald er weit genug von der Treppe weg ist, rufe ich euch zu, dass ihr weglaufen sollt. Und dann nimmst du Amy Anne bei der Hand, Justine, und ihr lauft so schnell ihr könnt die Treppe hinauf und aus dem Haus.“
Justine war so aufgeregt, dass sie zitterte. „Und dann sind wir heute Abend alle wieder zu Hause, stimmt’s, Mary?“
Mary umarmte die beiden fest. „Ja, Baby … ihr werdet heute Nacht in euren eigenen Betten schlafen. Ihr werdet bei eurer Mommy und bei eurem Daddy sein, und dieser Mann wird euch nie mehr quälen können.“
„Und du wirst auch zu Hause sein“, sagte Justine.
Marys Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ihr Part bei der Flucht war viel gefährlicher, aber das würde sie den Mädchen nicht erzählen.
„Ja, Darling, ich auch.“
„Und dann kommen wir und spielen mit Hope.“
Beim Gedanken an ihr eigenes kleines Mädchen wäre sie fast in Tränen ausgebrochen. Ihre Stimme zitterte, als sie die beiden ein letztes Mal umarmte und sagte: „Ja, Baby, ihr werdet beide kommen und mit Hope spielen. Geht jetzt in euer Versteck, und vergesst nicht, mucksmäuschenstill zu sein, sobald ihr Howard hört.“
„Ja, gut“, sagte Justine, dann nahm sie Amy Anne bei der Hand und marschierte mit ihr in Richtung Treppe.
Mary stand auf und begann die Betten so zu präparieren, dass es aussah, als ob die Mädchen unter den Decken lägen und schliefen. Nachdem sie damit fertig war, schüttete sie am anderen Ende des Raums ein Glas Wasser auf dem Boden aus und legte sich so daneben, als ob sie ausgerutscht wäre. Dann wartete sie auf Howard Lee.
Howard Lee warf seine letzten Hemden in den Koffer, kippte die Schublade mit seiner Unterwäsche und seinen Socken darüber aus und schloss den Deckel. Seine übrige Garderobe, die auf Bügeln hing, befand sich bereits im Van neben dem Matratzenlager, das er für die Mädchen hergerichtet hatte. Die Kühltasche mit Essen und Getränken hatte er schon im Kofferraum verstaut. Jetzt musste er nur noch die Mädchen holen, dann konnte es losgehen. Beim Blick auf die Uhr sah er, dass es kurz nach zwei Uhr nachmittags war. Wenn er sich beeilte, konnte er die Stadt verlassen haben, lange bevor der Feierabendverkehr einsetzte.
Er kramte in seiner Tasche nach dem Kellerschlüssel, dann hielt er mitten in der Bewegung inne und schaute sich nach dem Strick um. Sophie würde er nicht mitnehmen. Nein, das war falsch. Er musste aufhören, sie Sophie zu nennen. Sie hieß Mary, und er konnte es sich nicht leisten, sie laufen zu lassen.
Der Strick lag auf dem Boden in der Nähe der Falltür. Direkt neben dem Fahrtenmesser. Howard langte nach dem Strick, zögerte einen Moment und schaute auf das Messer, dann bückte er sich, hob es auf und steckte es in seine Tasche.
Mit finsterem Gesicht öffnete er das Vorhängeschloss. Während er die Treppe hinunterstieg, versuchte er sich immer wieder einzutrichtern, dass er es tun konnte, dass das, was er vorhatte, kein Verbrechen war. Ein richtiger Vater würde alles tun, um seine Familie zu beschützen. Sogar morden.
Doch was war das? Er entdeckte Mary zusammengekrümmt in einer kleinen Pfütze liegen. Ihre Augen waren geschlossen, die Lippen leicht geöffnet,
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