Julia Liebeskrimi Band 09
Sie mir Bescheid, wenn Sie das Gelände verlassen.“
Sie hatte Mühe, ihn zu verstehen, die Verbindung brach dauernd ab. Sie sollte Zack wohl besser bitten, noch eine Ersatzbatterie herauszukramen.
„Und nehmen Sie sich vor Schlangen in Acht.“
„Ganz bestimmt.“
Fiebernd vor Erwartung steckte sie das Handy in eine ihrer zahlreichen Hosentaschen, half ihrer Crew, die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände in den Rucksäcken zu verstauen, dann eilte sie an Henrys Seite, der sich bereits an den Abstieg gemacht hatte.
Noch ehe sie die Hälfte der Wegstrecke hinter sich gebracht hatten, kam die Sonne heraus. Als sie den Grund des Canyons und das Ufer des Chalo River erreicht hatten, hatte sich der Dunstschleier ganz aufgelöst, und von dem Sandstein stieg wellenförmig die Hitze auf.
Während des Abstiegs hatte Sydney das unheimliche Gefühl gehabt, zu einem Meeresboden hinabzusteigen. Sie versuchte sich vorzustellen, was die Israeliten wohl gefühlt haben mochten, als Mose sie durch das Rote Meer geführt hatte.
Nach zehn Jahren unter Wasser strömten die dunklen Canyonwände einen starken Modergeruch aus. Silbrig grauer Flechtenbewuchs machte die Sandsteinböschung tückisch. Die Pappeln, die vor dem Bau des Staudamms das Ufer gesäumt hatten, standen noch dort, aber ihre Zweige hatten ihr Grün abgelegt.
Und es war ruhig, geradezu unheimlich still, kein Vogelzwitschern, keine eilig in ein Versteck huschende Wüstenkreatur, nicht einmal Blätterrascheln im Wind war zu hören. Tatsächlich gab es hier unten keine Blätter und kein wie auch immer geartetes Grün, denn die Bäume waren schon vor langer Zeit ertrunken. Jetzt hoben sich ihre knorrigen Stämme und die kahlen Äste schwarz gegen den Himmel ab. Das einzige Geräusch, das die Stille störte, war das Murmeln des Flusses.
Schwitzend und mit roten Gesichtern versammelte sich die Crew am Ufer. Albert fächelte sich mit seiner australischen Buschkappe kühle Luft zu.
„Wie weit ist es noch bis zum Felsvorsprung?“, fragte er.
„Für die Krähen im Flug eine halbe Meile. Für den Fluss eine Meile.“
Der beleibte Tontechniker verschluckte sich fast und fächelte noch schneller.
„Bist du okay?“, erkundigte sich Sydney, besorgt über sein puterrotes Gesicht.
„Ja klar. Nur ein bisschen aus der Übung.“
„Wir ruhen uns hier kurz aus.“
„Nein, lass uns weitergehen.“
Albert, der bis in die Spitzen seiner Stiefel aus Straußenleder ein Profi war, würde lieber einen Hitzschlag in Kauf nehmen, als an einer Verzögerung des Zeitplans schuld zu sein. Das war einer der Gründe, warum Sydney ihn für dieses Projekt engagiert hatte und ihn jetzt nicht aus den Augen ließ, während Henry sie am Flussufer entlang noch eine Meile weiterführte.
Die enge Schlucht wurde nach und nach breiter. Der Fluss verbreiterte sich ebenfalls und wurde flacher. Endlich stand die kleine Gruppe unter dem Felsvorsprung. Alle reckten die Hälse und starrten andächtig auf die nassen, im Sonnenschein glitzernden Ruinen. Tish war die Erste, die das Schweigen brach.
„Die Anasazi müssen halbe Affen gewesen sein, um da jeden Tag raufzuklettern.“
Sydney hatte sich über die Ureinwohner genauestens informiert. „Sie benutzten Holzleitern, die sie hochziehen konnten, wenn Feinde im Anmarsch waren“, erklärte sie. „Oder sie kletterten mithilfe von Vertiefungen, die sie in die Felswand gemeißelt hatten, rauf.“
Die Kamerafrau legte den Kopf in den Nacken und schaute mit zusammengekniffenen Augen auf die Löcher in der Felswand. Einen Moment später schüttelte sie den Kopf.
„Du weißt, wie gern ich mit dir zusammenarbeite, Syd. Ich habe nicht protestiert, als du mich in diesen Raum mit diesen wild gewordenen Bienen gezerrt hast. Es ist mir nicht leichtgefallen, aber ich habe nicht protestiert. Und damals in Peru, als wir während unseres langen Aufstiegs auf den Machu Picchu ständig der Lamaspucke ausweichen mussten, habe ich mich da etwa beschwert?“
„Ja. Lautstark.“
„Nur als das Lama hinter mir an meinem Hintern rumgeknabbert hat“, protestierte sie. „Aber mich bringen keine zehn Pferde dazu, mit meiner Ausrüstung diesen Felsen raufklettern.“
„Mach dir keine Sorgen“, versicherte Sydney ihr. „Henrys Enkel bringen Aluminiumleitern, Flaschenzüge und Seile. Bis sie hier sind, können wir uns auf die Außenaufnahmen konzentrieren.“
Die nächsten Stunden verbrachte Sydney völlig vertieft in die Kunst, aus der Vergangenheit Träume
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