Julia Liebeskrimi Band 09
schließlich fand, waren ausgestellte Shorts und ein leuchtend rotes, kurzes T-Shirt, beides Mitbringsel von einem Wochenende am Strand von Santa Monica. Die Shorts hatte sie sich gekauft, bevor ihr klar geworden war, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht vornüberbeugen konnte, wenn sie sie anhatte. Das kurze, nabelfreie T-Shirt war eher cool und bequem als sexy. Zusammen ergab es jedoch eine umwerfende Kombination.
In freudiger Erwartung vor sich hin summend, warf sie die dürftigen Make-up-Vorräte, die sie mitgebracht hatte, ins Waschbecken und machte sich ans Werk. Mit einem Kajalstummel verlieh sie ihren Augen zusätzliche Größe und Tiefe, platzierte sorgfältig ein paar Schatten und strichelte ihre Augenbrauen ganz leicht nach. Lippenstift, leicht auf die Wangen getupft und eingerieben, diente als Rouge. Ihr treuer Lippenbalsam ließ das Rot, mit dem sie sich die Lippen geschminkt hatte, glänzen.
Nachdem das getan war, bearbeitete sie ihre Haare mit dem Föhn und der Wildschweinborstenbürste, ohne die sie nie verreiste. Die schwere, schulterlange Fülle brauchte ewig, um zu trocknen, aber jeder Bürstenstrich verlieh ihr weiteren knisternden Glanz. Als sich das Haar unter ihren Fingern wie Rohseide anfühlte, drehte Sydney es zusammen und steckte es bis auf ein paar mit Bedacht herausgelassene Strähnen am Hinterkopf fest.
Sie stützte die Hände in die Hüften und begutachtete das Ergebnis ihrer Bemühungen. Natürlich konnte es sich nicht mit dem Erscheinungsbild messen, das sie am Tag der Oscarverleihung nach vier Stunden in einem der teuersten Salons von Beverly Hills geboten hatte, aber es würde reichen. Ganz bestimmt.
Vergnügt vor sich hin summend, ging sie barfuß ins Schlafzimmer, wo die Flasche Wein, die sie im Gas ’n’ Git auf dem Heimweg mitgenommen hatte, in einem grauen Plastikeimer auf Eis lag. Die dick mit Käse und kaltem Braten belegten Sandwiches, die Lula zurechtgemacht hatte, warteten daneben.
Sydney beschloss, zur Einstimmung schon mal einen Schluck zu trinken. Sie machte die Flasche auf und goss sich ein halbes Glas ein. Für 3 Dollar 99 schmeckte der Wein nicht einmal so schlecht. Mit dem Glas in der Linken nahm sie mit der Rechten die Kassette aus der Minikamera und legte sie in den Videorekorder ein.
Nach einer langen Kamerafahrt über den Damm sprang Reese’ Gesicht auf den Bildschirm. Zufrieden aufseufzend ließ Sydney sich aufs Bett sinken, stopfte sich die Kissen in den Rücken und gab sich dem ungezügelten Vergnügen hin, Reese’ Erklärung der einfachen Gesetze der Physik, erläutert am Beispiel der Turbinen, zu lauschen.
Sie hatte das Band gerade zurückgespult und wieder auf den Startknopf gedrückt, als sie hörte, wie draußen eine Autotür zugeschlagen wurde. Ihr Blick flog zu dem Digitalwecker auf dem Nachttisch. Acht Uhr siebenundzwanzig. Wie Reece es nur immer schaffte, so pünktlich zu sein!
In ihrem Bauch flatterten Schmetterlinge auf, als sie aus dem Bett sprang. Auf das leise Klopfen hin machte sie die Tür auf.
„Ich habe schon Wein kalt gestellt und …“
Der Rest ihres Satzes blieb ihr im Hals stecken. Sie hatte dem falschen Mann die Tür geöffnet, doch jetzt war es zu spät.
„Hallo, Syd.“
Den Türgriff fest umklammernd, schaute Sydney Jamie wachsam an. „Was willst du?“
Das harte Licht der nackten Glühbirne über der Tür zeichnete tiefe Linien in das Gesicht ihres Besuchers. Regentropfen glitzerten in seinem Haar und ließen es tiefgolden aufglänzen.
„Ich muss mit dir sprechen. Lässt du mich rein?“
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.“
Er zog die Schultern hoch und schob die Hände in seine Hosentasche. Auf seinem Gesicht spiegelte sich ein Anflug von Verzweiflung wider.
„Es ist wichtig, Syd.“
Ihr Instinkt schrie ihr zu, ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen. Jamie Chavez bedeutete nichts als Probleme für sie.
„Nur für einen Moment. Bitte.“ Er presste die Kiefer fest aufeinander. „Es ist wegen Arlene. Ich habe gerade herausgefunden, dass sie deine Filme zerstört hat.“
Sydney zog scharf den Atem ein und gab die Tür frei. Jamie ging an ihr vorbei ins Zimmer, er wirkte älter und verhärmter, als sie ihn je gesehen hatte. Nur zur Sicherheit ließ sie die Tür einen kleinen Spalt offen. Ein einziger durchdringender Schrei würde genügen, um das halbe Motel auf Trab zu bringen, ganz zu schweigen von Lula und Martha.
Als sie sich umdrehte, sah sie Jamie mitten im Zimmer stehen, den
Weitere Kostenlose Bücher