Julia Liebeskrimi Band 09
war zu durcheinander gewesen, um an mehr denken zu können als an die Sicherheit seiner Familie.
Im Haus saß Mary mit ihrer Tochter im Schaukelstuhl und sang ihr etwas vor, während Hope schon nah daran war, wieder einzuschlafen.
Daniel ging am Wohnzimmer vorbei in die Küche, wo er einen Moment in das leicht rötlich gefärbte Abwaschwasser in der Spüle starrte, bevor er den Stöpsel herauszog. Als das Wasser abzufließen begann, sah er das Messer, an dem Mary sich verletzt hatte, im Spülbecken liegen. Mit einem leisen Fluch legte er es auf den Tresen, dann ließ er sauberes Wasser ein und begann das Geschirr zu spülen. Er hörte Mary immer noch singen. Hope war offenbar wieder glücklich, dafür hätte er jetzt am liebsten geweint. Um ein Haar hätte er seine kleine Tochter und sich umgebracht.
Er stützte sich auf die Waschmaschine auf, schloss die Augen und neigte den Kopf.
„Danke, Gott“, murmelte er, dann nahm er die gewaschenen Sachen aus der Maschine und warf sie in den Trockner, bevor er sich den Besen schnappte und den Küchenboden fegte.
Wenig später hatte er alle morgendlichen Pflichten erledigt. Er schaute im Wohnzimmer nach seiner Frau und fand sie schlafend auf der Couch. Sein Herz zog sich zusammen. Nicht sehr schmerzhaft, aber genug, um ihn daran zu erinnern, was er fast verloren hätte. Er holte Hope aus ihrem Stubenwagen und brachte sie ins Kinderzimmer, wo er sie in ihr Bettchen legte, mit ihrer Lieblingsdecke zudeckte und die Tür schloss. Sie würde mindestens eine Stunde schlafen, vielleicht sogar länger.
Nachdem er wieder im Wohnzimmer war, wanderte sein Blick erst über das blasse schmale Gesicht seiner Frau, dann über den Verband an ihrem Finger, durch den Blut sickerte. Vielleicht muss der Schnitt ja doch noch genäht werden, überlegte er. Er holte ein kleines Handtuch und wickelte es um Marys Hand, dann breitete er eine Wolldecke über sie. Sie sollte erst einmal ausschlafen. Und er selbst musste nachdenken.
2. KAPITEL
Mary schrak aus dem Schlaf hoch und setzte sich erschrocken auf. Hopes alter Stubenwagen war im Wohnzimmer, ihr Finger pochte, und es war fast Mittag. Sie konnte nicht aufhören, sich zu wundern, wo dieser Stubenwagen plötzlich herkam oder warum ihr Finger verbunden und ihre Hand mit einem Handtuch umwickelt war. Das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie in ein Antiquitätengeschäft gegangen war. Wie sie von dort aus nach Hause gekommen war, wusste sie nicht mehr, genauso wenig wie sie wusste, warum sie hier auf der Couch geschlafen hatte und nicht im Schlafzimmer. Fest stand nur: Sie hatte verschlafen, und ihr Chef in der Boutique würde ihr sicher die Hölle heißmachen.
Sie sprang auf, um im Geschäft anzurufen, und suchte verzweifelt nach dem Telefon, aber es war nicht an seinem angestammten Platz. Als sie gleich darauf den Kinderwagen an der Eingangstür und Daniels Jacke über einem Stuhl hängen sah, bekam sie vor Erleichterung ganz weiche Knie.
Der Traum.
Sie träumte immer noch, und solange sie schlief, waren Daniel und Hope noch am Leben.
Sie schaute ins Kinderzimmer. Das Baby war nicht da, aber als sie wieder auf dem Flur war, hörte sie Daniels dröhnendes Lachen, dem ein entzücktes Kreischen folgte. Lächelnd ging sie durch die Küche in den kleinen Garten, wo Daniel mit Hope auf dem Bauch in einem Liegestuhl lag. Hope strampelte auf dem Rücken und schaute mit großen Augen in die Baumkrone über sich.
Mary fuhr Daniel mit den Fingern durch das dichte dunkle Haar und genoss es, die weichen Strähnen zu spüren, dann beugte sie sich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss auf die Backe.
„Du hättest mich nicht so lange schlafen lassen sollen.“
Er schaute lächelnd zu ihr hoch. „Aber warum denn nicht? Du hattest es nötig, Honey. Und ich wüsste nicht, wo ich lieber wäre als bei meinen beiden Mädchen.“
In Mary erwachten Zweifel. Wenn sie doch nur wirklich glauben könnte, dass er es auch tatsächlich so meinte.
„Wirklich, Daniel? Ist das dein Ernst? Ich meine, wo wir doch in letzter Zeit …“
„Komm, setz dich zu mir.“
Sie zögerte, aber als er ihr Platz machte, folgte sie seiner Aufforderung. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Hope und lachte über die Faxen, die das Baby machte, ohne zu ahnen, dass Daniel sie nachdenklich betrachtete.
Abgesehen davon, dass sie wegen des ständigen Schlafmangels ein bisschen dünner und blasser war als früher, war sie
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