Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 02
Ali.
„Ich werde den König darum bitten, dass er mich nach Amerika gehen lässt“, antwortete sie.
Kamal wusste, dass sie diesen Traum schon seit langem hegte. Er wusste auch, wie sein Vater darüber dachte. „Dazu wird er nicht sein Einverständnis geben.“
„Dann gehe ich eben ohne.“
Alis sah ihn besorgt an. „Johara hat recht. Wenn dein Vater seine Meinung nicht ändert, wäre es nicht gesund, den Jungen hier großzuziehen.“
„Du hast gehört, wie der König mir verboten hat, mich einzumischen.“
„Ich erinnere mich. Er sagte, du seist immer schwach gewesen, wenn es um deine Schwester ging. Aber das stimmt nicht. Du wurdest zu dem Vater, der er nicht sein konnte oder wollte.“
Kamal wusste, dass er es bedauern sollte, ihr von der Vergangenheit erzählt zu haben, doch irgendwie konnte er das nicht.
„Mein Bruder“, sagte Johara. „Du musst mir helfen.“
„Ja, das musst du“, stimmte Ali zu. „Du bist der Einzige, der es kann.“
Ali sah Kamal vor dem Konferenzraum des Krankenhauses stehen. Seltsamerweise traf sie ihn hier häufiger als im Palast. Sie war dort geblieben, als Johara ihr Baby vor zwei Wochen nach Hause gebracht hatte. Wie schnell doch die Zeit verging. Physisch hatte sich die Prinzessin rasch erholt, doch emotional litt sie unter der Haltung ihres Vaters.
Ihre Tante Farrah hatte Ali gebeten, weiter im Palast zu wohnen, da sie der Ansicht war, Alis Anwesenheit gebe ihrer Nichte moralische Unterstützung. Was allerdings nicht dazu geführt hatte, dass der König die Existenz seines Enkels zur Kenntnis genommen hätte. Und Kamal hatte nichts getan, um seiner Schwester zu helfen. Ali war sich so sicher gewesen, dass er einschreiten würde, so dass ihre Enttäuschung nun unerwartet groß war.
Als sich die Türen des Aufzugs öffneten, schaute sie automatisch hinüber. Es war kein Geringerer als König Gamil selbst, der auf den Gang trat. Sie hatte ihn noch nie zuvor im Krankenhaus gesehen.
„Kamal!“
Der König ging an ihr vorbei, ohne sie überhaupt zu bemerken. Seine ganze Aufmerksamkeit schien sich nur auf seinen ältesten Sohn zu richten, und dabei sah er gar nicht glücklich aus.
Kamal schaute von seinen Papieren auf. „Vater.“
„Was hast du mit Johara gemacht?“ Wut schwang in der Stimme des älteren Mannes.
„Wie kommst du darauf, dass ich etwas getan habe?“
„Weil sie nicht im Palast ist.“
„Woher weißt du das? Hast du sie besucht?“
Der König schüttelte den Kopf. „Ihre Zofe sagte, dass sie fort ist.“
Ali hatte das Gefühl mitten in ein Duell geraten zu sein, und nirgendwo gab es eine Ecke, in der sie sich hätte verstecken können. Der König stand zwischen ihr und seinem Sohn und verdeckte sie. Langsam ging sie um die Ecke, allerdings konnte sie immer noch klar und deutlich die Stimmen hören. Was auch nicht schwierig war, denn der König brüllte mittlerweile.
„Wieso nimmst du an, dass ich weiß, wo sie ist?“
„Halt mich nicht zum Narren.“
„Also gut. Ich habe es arrangiert, dass meine Schwester und ihr Kind an einen Ort gebracht wurden, wo sie glücklich und sicher sein können.“
„Sag mir, wo sie ist.“
„Johara hat mich gebeten, ihren Aufenthaltsort nicht zu verraten.“
„Ich bin ihr Vater. Du hast kein Recht, das vor mir zu verbergen. Ich verlange, dass du es mir sagst.“
„Ich habe meiner Schwester ein Versprechen gegeben und werde mein Wort nicht brechen.“
„Dein Wort?“ Sein Ton war voller Verachtung. „Das ist wichtiger als ein Befehl des Königs?“
„In diesem Fall – ja. Ich habe Johara versichert, dass ich immer für sie da sein werde.“
„Wie kannst du das, wenn sie gar nicht hier ist?“
„Ich habe das getan, worum sie mich gebeten hat. Ich habe es ihr ermöglicht, ihren Sohn in Frieden großzuziehen.“
„Gegen die Wünsche ihres Vaters?“
„Du bist schon seit langem kein Vater mehr für sie gewesen.“
Kamal sprach ganz ruhig, doch das war nicht der Grund, weshalb Ali Gänsehaut bekam. Es hatte großen Mut erfordert, seiner Schwester die Flucht zu ermöglichen, doch jetzt auch noch seinem Vater derart gegenüberzutreten …
„Du bist ein schwacher Mann, Kamal. Ich habe große Zweifel, was deine Fähigkeiten als König anbelangt.“ In seiner Stimme lagen sowohl Zorn als auch Schmerz.
Im nächsten Moment ging der König an ihr vorbei zum Aufzug und verschwand. Ali stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und spähte vorsichtig um die Ecke zu Kamal. Er stand immer noch
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