Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
Herz stehenbleiben. Deutlich erinnerte sie sich noch jetzt an den Schmerz, an die schreckliche Furcht. Es hatte dunkle, bedrückende vierundzwanzig Stunden gedauert, ehe sie erfahren hatte, ob es Arash oder Jamshid war, der umgekommen war. Wer immer von den beiden es gewesen war, die Nachricht war einfach schrecklich, und dennoch hoffte sie aus ganzem Herzen, dass es nicht Arash getroffen hatte.
Es hatte ihn nicht getroffen. Es handelte sich um Jamshid. Lana trauerte um den gut aussehenden, jungen Mann, der gern gelacht hatte und der einen so sinnlosen Tod gestorben war.
Hätte sie nur die geringste Hoffnung gehabt, Arash würde sie mit offenen Armen empfangen, wäre sie sofort nach Parvan gereist, hätte ihn gesucht, wo immer er auch war, und ihm gesagt …
Aber durch den Krieg waren die Grenzen geschlossen worden. Mit Geld hätte sie vermutlich etwas erreichen können. Aber sie glaubte nicht, dass Arash davon begeistert gewesen wäre. Er hatte ihr schließlich erklärt, dass sie ihm nichts bedeutete. Und er war abgereist, ohne ihr eine Nachricht zu hinterlassen.
Jamshid hatte eine Frau hinterlassen, die nach Kriegsende hatte zu ihm reisen wollen. Nur wenige Monate nach der Nachricht über seinen Tod hatte sie ein Kind zur Welt gebracht.
„Wie schrecklich, dass sie jetzt auch noch ein Kind hat“, meinten einige, aber Lana hatte nicht so gedacht. Im Gegenteil, sie hatte die andere Frau sehr beneidet, weil sie einen Sohn hatte, der sie an ihren Mann erinnerte.
Wenn Arash gefallen wäre, würde Lana nichts bleiben. Nicht mal ein Liebesgeständnis hatte sie von ihm zu hören bekommen. Ihr blieb nur die Erinnerung an die wenigen Stunden körperlicher Leidenschaft, die für ihn absolut nichts bedeutet hatten.
Ihr war, als hätte ihr Traum in der Nacht die Mauern eingerissen, die sie um sich herum errichtet hatte. Ein heftiger Schmerz durchfuhr sie. Lana schnappte nach Luft, presste die Hände auf die Lippen und bemühte sich, jeglichen Laut zu unterdrücken.
Was für eine Närrin sie doch war! Da hatte sie sich eingebildet, dass sie ihr Herz mit Vernunft hätte verschließen können. Sie hatte geglaubt, Liebe sei ein Traum. Liebe war grausame Realität, vor der sie sich nirgends verstecken konnte.
Jetzt, da es schon zu spät war, wurde ihr klar, wie es wirklich um sie stand, was sie fühlte und was sie getan hatte.
Sie war den weiten Weg hierher gereist, hatte ihren Vater um Geld gebeten, hatte bei Freunden und Fremden gesammelt, und härter gearbeitet als je zuvor im Leben. Sie hatte auf Essen verzichtet, wenn Arashs Leute nichts hatten, sie hatte mit ihnen geweint, wenn sie litten, sie hatte ihre Verbindungen spielen lassen so weit es nur ging, um ihnen beim Wiederaufbau zu helfen.
Weil ein Mann, der sie nicht mal mochte, eines Nachts tiefbetroffen gesagt hatte: Uns wird nichts bleiben.
7. KAPITEL
Es war kalt, aber hell im Raum, als Lana aufwachte. An den Fensterscheiben klebten Eisblumen, und sie konnte weiße Atemwölkchen in der Luft sehen. Ihre Nase war eiskalt. Lana lag reglos unter den schweren Decken und genoss die Wärme noch ein paar Minuten.
Immer noch schneite es draußen heftig. Die weichen Flocken dämpften das Rauschen des Wasserfalls. Schläfrig lag Lana da und döste vor sich hin.
Im Zimmer nebenan hörte sie ein Klopfen. Arash war bereits auf. Um sich für die Kälte zu wappnen, atmete Lana tief durch, bevor sie die Decken zurückschlug und aufstand.
„Ah!“, schrie sie unwillkürlich auf, als sie die eisige Luft spürte. Sie lief in Strümpfen durch den mit einem Vorhang versehenen Türbogen und hastete über eiskalte Fliesen zur Toilette. Auf dem Rückweg bemerkte sie, dass das Klopfen aus der Ecke kam, wo das Dach beschädigt war. Arash war draußen auf dem Dach und befestigte eine Plastikabdeckung über dem Loch.
Nachdem sie ins Zimmer zurückgekehrt war, faltete sie die Decken auf, stapelte sie sorgfältig und stellte das korsi in die Ecke. Dann kümmerte sie sich um das Feuer und bemühte sich, es zu entfachen. Es befand sich noch genügend Glut in der Kohlenpfanne. Sie musste nur nachlegen.
Es war nicht viel anders als mit ihrer Liebe, dachte sie. Sie war bis auf die Glut abgekühlt, sodass sie sich ihrer Gefühle kaum mehr bewusst gewesen war. Es war, als hätte sie frisches Öl darübergegossen und als würde sie sich erneut daran verbrennen.
Was war sie für eine Närrin gewesen, dass sie diese Reise mit Arash gemacht hatte! Warum hatte sie nicht auf ihre innere Stimme
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