Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
ging.
Sie ließ den Kopf zurücksinken und schaute ihm in die funkelnden Augen. „Das Risiko gehe ich ein“, flüsterte sie.
Lana hatte das Geschirr gespült und trocknete es ab, als Arash mit einem Eimer Kohle zurückkehrte. Sein Kopf und seine Schultern waren mit Schnee bedeckt.
„Wie ist das Wetter?“, fragte sie, um nach dem, was geschehen war, nicht im Schweigen zu verharren.
„Es schneit noch sehr, aber der Wind hat etwas nachgelassen“, antwortete er, als wäre er auch der Ansicht, Schweigen sei gefährlich.
„Ich höre es immer noch tosen.“
„Das ist der Wasserfall. Daran wirst du dich gewöhnen.“
Sie hielt inne und überlegte. Warum sollte sie sich daran gewöhnen?
„Brechen wir nicht morgen auf?“
Schweigend schaute er sie an. Sein Blick sprach für sich, ehe er sich wortlos abwandte. Es gab genug zu tun. Auf der einen Seite des Raumes war eine rußige Fläche auf dem Boden. Darüber breitete er zwei kräftige Polster aus und schleifte die Kohlenpfanne hinüber.
Lana nagte an ihrer Lippe, während sie das Geschirr trocknete und in den Schrank stellte. Arash hob den Deckel der Kohlenpfanne hoch und legte Briketts auf die glühenden Funken.
„Wie lange werden wir bleiben müssen?“ Die Frage vermochte sie nicht zurückzuhalten. Unwillkürlich erschauerte sie.
Erneut wechselten sie einen Blick. Natürlich wusste er es ebenso wenig wie sie. Und sie redete einfach drauflos.
„Was werden wir essen?“, erkundigte sie sich, aber der Gedanke ans Essen beschäftigte sie nur am Rande.
„Morgen früh werden wir nachsehen, was da ist. Heute Abend wollen wir davon ausgehen, dass zumindest an Lampenöl gespart werden muss.“ Arash legte den Deckel wieder auf die Pfanne. „Wir machen jetzt das Licht aus und legen uns schlafen.“
Er ging in die Ecke hinüber, in der der hockerähnliche Rahmen des korsi stand und hob ihn über die Kohlenpfanne, während Lana gleich die Kissen auf die Teppiche verteilte, die um die Kohlenpfanne herum lagen.
In einem Ritual, das vermutlich Hunderte von Jahren alt war, breiteten sie die Decken über die Kissen zu beiden Seiten des korsi aus und machten damit das traditionelle parvanische Winterbett.
Zum Schluss wurde noch eine riesige, runde Decke, die mehr als drei Meter Durchmesser hatte und in der Mitte vollkommen braun war, über alles gebreitet.
Lana hatte ganze Familien auf diese Weise schlafen sehen. Sie lagen um die Feuerstelle herum wie die Speichen eines Rades. Der korsi hielt die Decke so weit von der Kohlenpfanne weg, dass sie kein Feuer fangen konnte, während die Hitze unter der Decke gehalten wurde. Da sie sich mit den Füßen zur Mitte legten und der Kopf nur oben aus der Decke lugte, konnten sie wunderbar im Warmen schlafen.
Es hatte auch seinen Nachteil. Zu warm durfte man es nicht heizen, um keine Kohlenmonoxidvergiftung zu bekommen. Aber Arash hob den Teppich vor dem Türeingang hoch, damit ein frischer Luftzug hereinwehte, und Lana stellte sich tapfer der Kälte, um noch einmal auf die Toilette zu gehen.
Als sie zurückkam, war alles fertig.
Sie streiften nur ihre Jogginganzüge ab, ehe sie sich unter den Decken ausstreckten. Schweigen breitete sich im Raum aus, ohne dass es ihr auffiel, und als sie es merkte, gelang es Lana nicht, die richtigen Worte zu finden, um es zu brechen.
Sie legte sich hin, und bewegte sich so lange, bis sie sich wohlfühlte. Nachdem Arash die schwache Flamme in der Lampe ausgepustet hatte, breitete sich die Dunkelheit wie eine zweite Decke über ihnen aus. Lana hörte, wie Arash sich in die Kissen zurücksinken ließ, und wusste, seine Füße waren auf der anderen Seite der Kohlenpfanne, direkt ihr gegenüber.
„Gute Nacht“, flüsterte sie.
„Gute Nacht, Lana.“
Doch gleich darauf wünschte sie sich, sie hätte nichts gesagt. Denn der kleine Austausch in der Dunkelheit verdeutlichte ihr die intime Einsamkeit noch mehr. Plötzlich wünschte sie sich, sie lägen dichter nebeneinander, allein schon wegen der Wärme und des Trostes, den Menschen sich untereinander durch Körperkontakt in so harten Zeiten zu schenken vermögen.
Aber sie hatte sich einmal auf ein Risiko eingelassen, und verloren.
Damals hatte Arash Lana in einen dunklen Raum geführt und eine kleine Lampe angemacht. Bis auf ein Sofa, einige Sessel und Regale befand sich nur noch ein Bett in einer Nische.
Obwohl der Raum in orientalischer Weise eingerichtet war, mit herrlichen Teppichen ausgelegt und mit Wandtapeten ausgekleidet,
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