Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
erreicht. Warum rief Tanya nicht zurück?
Angesichts des Zeitaufwandes, der für die Fertigstellung des Frieses nötig war, hatte sie sich mit dem Prinzen darauf geeinigt, gar nicht erst nach England zurückzukehren, sondern mit Fleur gleich in Zuran zu bleiben, damit sie die Arbeit sofort aufnehmen konnte. Der Prinz wollte ihr ein kleines Apartment und einen Wagen zur Verfügung stellen, und Mariella war dabei, eine Einkaufsliste zusammenzustellen, um sich und Fleur mit allem Nötigen für den verlängerten Aufenthalt zu versorgen.
Als es an der Tür ihres Bungalows klopfte, erwartete sie einen Angestellten des Beach Clubs und öffnete arglos. Aber zu ihrer Überraschung sah sie sich Xavier gegenüber.
Ohne ihre Einladung abzuwarten, trat er ein und schlug die Tür hinter sich zu. „Vielleicht können Sie mir das hier erklären!“, sagte er sarkastisch, warf die aktuelle Ausgabe der Zuraner Tageszeitung auf den Tisch und schlug die Gesellschaftskolumne auf.
„Ich muss Ihnen gar nichts erklären, Xavier“, erwiderte sie kühl.
„Es heißt hier, dass Sie gar nicht Fleurs Mutter seien!“
„Stimmt“, bestätigte sie ruhig. „Ich bin ihre Tante. Meine Schwester Tanya ist Fleurs Mutter … die Frau, die Sie vor mir so gemein und unfair beschimpft und schlecht gemacht haben. Und zu Ihrer Information: Tanya ist nicht … irgendein Flittchen, wie Sie unterstellt haben, sondern eine professionelle Sängerin und Tänzerin. Und während Sie meinen, sie sei nicht gut genug für Ihren kostbaren Cousin, bin ich hingegen der Ansicht, dass er nicht gut genug ist für meine Schwester … und ganz bestimmt nicht für Fleur!“
Ihre blaugrünen Augen funkelten. Endlich musste sie all ihrem Zorn und ihrer Empörung Luft machen. „Ihr Cousin hat Tanya erzählt, dass er sie liebe und auf immer mit ihr zusammenbleiben wolle … und dann hat er sie und Fleur sitzen gelassen! Haben Sie eine Ahnung, wie schlimm das für Tanya war? Ich war bei Fleurs Geburt an ihrer Seite und habe gehört, wie sie nach dem Mann rief, den sie liebte. Ihr Männer macht es euch leicht. Wenn euch die Verantwortung zu viel wird, macht ihr euch einfach davon. Ihr überlegt nicht, was es für ein Kind bedeutet, in dem Wissen aufzuwachsen, dass sein Vater es nicht gewollt und nicht geliebt hat … und dass seine Mutter nie wieder richtig glücklich sein wird, nachdem ihr das Herz gebrochen worden ist. Ich würde nie zulassen, dass ein Mann mir so wehtut, wie es Tanya passiert ist!“
„Sie haben mich bewusst und mutwillig in dem Glauben gelassen, Sie und Khalid seien ein Liebespaar!“, warf Xavier ihr entrüstet vor.
„Nun, zuerst dachte ich, Sie seien Fleurs Vater, und habe deshalb angenommen, Sie wüssten, dass ich nicht Fleurs Mutter bin. Aber seien Sie ehrlich, Xavier … Sie wollten nur das Schlimmste von mir denken, haben es richtig genossen!“
„Ist Ihnen klar, welche Probleme dadurch entstehen?“, fragte er schroff.
„Was habe ich denn getan?“ Mariella sah ihn verständnislos an. „Meine Schwester ist eine moderne junge Frau und führt das Leben einer modernen jungen Frau. Ihr größter Fehler war es meiner Meinung nach, sich in Ihren unseligen Cousin zu verlieben, aber Sie haben über sie geredet, als wäre sie …“
„Wollen Sie mir damit sagen, dass auch Sie eine moderne junge Frau sind und vorhaben, während Ihres Aufenthaltes hier in Zuran das Leben einer modernen jungen Frau zu führen?“, fiel Xavier ihr zornig ins Wort. „In dem Fall muss ich Ihnen leider sagen …“ Er verstummte, weil ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, was der Prinz ihm für Referenzen vorgelegt hatte, als er zuvor in den Palast gestürmt war und auf einer sofortigen Audienz bestanden hatte. Mariella war nicht nur eine weltweit anerkannte Künstlerin, sondern, wie es schien, auch eine junge Frau von untadeliger moralischer Integrität.
„Das geht Sie nichts an“, sagte Mariella ärgerlich.
„Im Gegenteil, es geht mich sogar sehr viel an!“, widersprach er zu ihrem Erstaunen. „Wenn Fleur das Kind meines Cousins ist, ist sie Mitglied meiner Familie … was Sie als Fleurs Tante ebenfalls zu einem Mitglied meiner Familie macht. Als Familienoberhaupt bin ich für Sie beide verantwortlich. Ich kann Ihnen auf keinen Fall erlauben, hier in Zuran allein zu wohnen oder unbegleitet für den Prinzen zu arbeiten. Es ist meine Pflicht und liegt in meiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Stolz und die Ehre unserer Familie nicht gefährdet
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