Julia Quinn
Frühstück im Esszimmer einzunehmen. Im Winter saßen ohnehin
alle gern in der Nähe des Herds, und im Sommer ... nun, alte Gewohnheiten
ließen sich wohl nicht so leicht ablegen.
Elizabeth lächelte ihrer jüngsten Schwester zu. »Du siehst
heute Morgen etwas unordentlich aus, Jane!«
»Das liegt daran, weil mich ein
gewisser Jemand gestern Abend aus meinem Zimmer ausgesperrt hat!« erklärte
Jane mit einem finsteren Blick zu Susan. »Ich konnte mir nicht einmal die Haare
bürsten!«
»Warum hast du nicht Lizzies Bürste
genommen?« wandte Susan ein.
»Ich mag meine Bürste!« gab
Jane hitzig zurück. »Sie ist aus Silber!«
Kein echtes Silber, dachte Elizabeth
selbstironisch, sonst hätte sie sie längst verkaufen müssen.
»Deswegen funktioniert sie auch
nicht anders!« konterte Susan.
Elizabeth beendete das Geplänkel,
indem sie nochmals lautstark nach Lucas rief.
»Haben wir
noch Milch?« erkundigte sich Jane.
»Ich fürchte, nein, mein
Schatz.« Elizabeth schob ihr ein Spiegelei auf den Teller. »Sie reicht
gerade noch für den Tee.«
Susan gab Jane eine Scheibe Brot und
fuhr zu Elizabeth gewandt fort: »Was nun Edikt zwei betrifft ...«
»Nicht jetzt«, zischte
Elizabeth mit einem Blick auf Jane, die zum Glück zu beschäftigt mit ihrem
Essen war, um auf ihre beiden älteren Schwestern zu achten.
»Mein Brot
ist noch nicht getoastet«, klagte sie.
Elizabeth kam nicht dazu, mit Susan
wegen dieses Versäumnisses zu schimpfen, weil Lucas fröhlich in der Küche
erschien.
»Guten
Morgen!« wünschte er gut gelaunt.
»Du kommst mir ja heute Morgen ganz
aufgekratzt vor!« Elizabeth strich ihm liebevoll durch das Haar, ehe sie
ihm sein Frühstück hinstellte.
»Ich gehe nachher mit Tommy
Fairmount und seinem Vater zum Angeln!« Er verschlang hastig drei Viertel
seines Spiegeleis, ehe er weitersprach. »Heute Abend werden wir richtig gut
essen!«
»Das klingt wunderbar,
Liebling.« Elizabeth warf einen Blick auf die kleine Uhr auf der Anrichte.
»Ich muss gehen. Ihr drei räumt bitte die Küche auf, ja?«
Lucas
nickte. »Ich werde das überwachen.«
»Du sollst
helfen!«
»Das auch«, willigte er zögernd
ein. »Darf ich noch ein Ei haben?«
Elizabeths Magen knurrte mitfühlend.
»Wir haben leider keine mehr.«
Jane warf ihr einen misstrauischen
Blick zu. »Du hast überhaupt nichts gegessen, Lizzie.«
»Ich frühstücke mit Lady
Danbury«, log sie.
»Du kannst meins haben.« Jane
schob ihr den Teller mit ihren Resten zu – zwei Bissen Ei und etwas
zerkrümeltem Brot.
»Danke, Jane, aber iss es ruhig
selbst auf«, wehrte Elizabeth ab. »Ich verspreche, ich esse bei Lady
Danbury etwas.«
»Ich werde einen besonders großen
Fisch fangen müssen«, hörte sie Lucas Jane zuflüstern.
Und das gab den Ausschlag für sie.
Elizabeth hatte größten Widerwillen gegen diese Jagd auf einen Ehemann
gehabt, allein schon wegen des Gedankens daran hatte sie sich für unglaublich
berechnend gehalten. Doch das war jetzt anders. Was für eine Welt war das, wenn
ein Achtjähriger nicht aus sportlichen Gründen zum Angeln ging, sondern weil
er Sorge hatte, dass sie alle nicht satt wurden? Sie straffte die Schultern und
ging zur Tür. »Susan?« meinte sie schroff. »Auf ein Wort, ja?«
Jane und Lucas tauschten einen
Blick. »Jetzt bekommt sie Ärger, weil sie vergessen hat, das Brot zu
toasten«, wisperte Jane.
»Ungetoastetes Brot!« meinte
Lucas und schüttelte ungehalten den Kopf. »Das geht jedem richtigen Mann
gegen den Strich.«
Elizabeth verdrehte beim Hinausgehen
die Augen. Wo schnappte er bloß immer diese Sprüche auf? Als sie außer Hörweite
waren, wandte sie sich an Susan. »Zunächst – kein einziges Wort über dieses
Ehemann-Angeln den Kindern gegenüber.«
Susan hielt das Buch hoch. »Dann
willst du also diese Ratschläge befolgen?«
»Ich habe wohl keine andere
Chance«, stieß Elizabeth verbittert hervor. »Und jetzt erkläre mir die
Regeln.«
3. KAPITEL
Elizabeth schien leise Selbstgespräche zu
führen, als sie an jenem Morgen Danbury House betrat. Tatsächlich hatte sie
schon auf dem ganzen Weg dorthin ununterbrochen vor sich hin gemurmelt. Sie
hatte Susan versprochen, Mrs. Seetons Edikte an Lady Danburys neuem Verwalter
auszuprobieren, aber ihr war nicht klar, wie sie das schaffen sollte, ohne
als Erstes gleich Regel zwei zu brechen. Sie lautete:
Gehen Sie niemals von sich aus auf
einen Mann zu. Zwingen Sie ihn immer, auf Sie zuzukommen.
Elizabeth nahm an, dass sie diese Regel
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