Julia Quinn
Stickzeug
bringen.«
Elizabeth stöhnte insgeheim auf.
Lady Danburys Auffassung vom Sticken bestand darin, dass sie, Elizabeth,
stickte und sie ihr dabei zusah und ihr Anweisungen gab. Und Elizabeth stickte
nicht gern. Sie hatte zu Hause genug zu nähen, wegen all der Kleidungsstücke,
die geflickt und ausgebessert werden mussten.
»Den grünen Kissenbezug, denke ich,
nicht den gelben.«
Elizabeth nickte zerstreut und
verließ den Salon. »Sei einzigartig. Aber nicht zu einzigartig«, murmelte
sie vor sich hin. Es würde schon ein Mann auf dem Mond herumspazieren müssen,
bis sie diesen Satz verstand. Mit anderen Worten, niemals.
Als sie bei den Stallungen ankam,
hatte sie in Gedanken jede Regel mindestens noch zehn Mal wiederholt, bis ihr
im Kopf ganz wirr war und sie diese Mrs. Seeton am liebsten von einer Brücke
gestoßen hätte, wäre die Dame zufällig in Reichweite gewesen.
Das Büro des Verwalters befand sich
in einem kleinen Haus gleich links neben den Ställen. Es verfügte über drei
Zimmer, einen massigen Schornstein und ein reetgedecktes Dach. Von der Haustür
aus gelangte man direkt in ein kleines Wohnzimmer, Büro und Schlafzimmer
befanden sich im hinteren Teil des Hauses.
Das Gebäude wirkte sehr ordentlich
und gepflegt, was Elizabeth aber ganz normal vorkam, da Verwalter sich ja damit
befassten, Häuser in einem guten Zustand zu halten. Ungefähr eine Minute lang
blieb sie vor der Tür stehen, atmete tief durch und redete sich ein, dass sie
schließlich eine einigermaßen hübsche und liebenswürdige junge Frau war. Es gab
keinen Grund, weshalb dieser Mann – an dem sie wirklich nicht interessiert war
nicht freundlich zu ihr sein sollte.
Seltsam, früher hatte es sie nie
nervös gemacht, wenn sie neue Leute kennen gelernt hatte. Das war alles nur die
Schuld dieses verfluchten Buchs. »Ich könnte Mrs. Seeton erwürgen«, sagte
sie halblaut zu sich selbst, als sie die Hand zum Anklopfen hob.
Die Tür war nicht verriegelt und
schwang ein kleines Stück auf, als Elizabeth klopfte. »Mr. Siddons?« rief
sie. »Sind Sie hier?«
Sie erhielt keine Antwort. Sie stieß
die Tür noch etwas weiter auf und spähte ins Haus. »Mr. Siddons?«
Was sollte sie jetzt machen? Er war
eindeutig nicht zu Hause. Seufzend lehnte sie sich mit der Schulter an den
Türrahmen und sah in das Zimmer. Wahrscheinlich musste sie sich nun auf die
Suche nach ihm begeben, und der Himmel mochte wissen, wo er steckte. Es war
ein sehr großer Besitz, und die Aussicht, ihn ganz ablaufen zu müssen, um Mr. Siddons zu finden, war nicht
sonderlich verlockend.
Während sie noch zögerte, ließ sie
den Blick durch das Zimmer schweifen. Sie war schon einmal hier gewesen und
wusste, welche Gegenstände Lady Danbury gehörten. Es hatte nicht den Anschein,
als hätte Mr. Siddons viele Habseligkeiten mitgebracht. Nur eine kleine
Reisetasche in der einen Ecke und ...
Sie hielt den Atem an. Ein kleines
rotes Buch. Es lag mitten auf dem Tisch. Wie um alles in der Welt war Mr.
Siddons an eine Ausgabe von »Wie heiratet man einen Marquis« geraten?
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Buchhandlungen für Gentlemen solche
Bücher im Sortiment hatten. Sie huschte durch das Zimmer und nahm das Buch zur
Hand. Es waren – Essays von Francis Bacon.
Sie schloss die Augen und war wütend
auf sich selbst. Großer Gott, sie wurde allmählich wirklich besessen! Glaubte,
überall dieses dumme kleine Buch zu sehen! Sie drehte sich um, um das Buch
wieder auf den Tisch zu legen, und schimpfte leise vor sich hin. »Diese Mrs.
Seeton ist auch nicht allwissend. Hör auf, dich ... Au!«
Elizabeth stieß einen Schmerzenslaut
aus, als sie mit ihrer rechten Hand heftig gegen die Messinglampe auf dem Tisch
stieß. Sie wedelte mit der Hand hin und her, um den stechenden Schmerz besser
ertragen zu können. Das hier tat mehr weh als ein angestoßener Zeh, und damit
hatte sie genug Erfahrungen. »Ich bin wirklich ein Tollpatsch«, murmelte
sie vor sich hin.
Ein Knirschen.
Sie fuhr herum. Was war das? Es
hörte sich an wie Schritte auf Kies. Und Kies gab es genug rund um das Verwalterhaus. »Ist da jemand?« rief sie, wie sie selbst fand, eine Spur zu
schrill.
Keine Antwort. Elizabeth fröstelte,
ein schlechtes Zeichen, da es schon den ganzen Monat für diese Jahreszeit
ungewöhnlich heiß gewesen war. Sie hatte nie viel auf Intuitionen gegeben, aber
irgendetwas stimmte hier eindeutig nicht. Und sie befürchtete, dass sie
diejenige sein würde, die unter den
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