Julia Quinn
Seetons Ratgeber. »Nun, das ist nicht viel Zeit, aber
...« Er sah abrupt auf. »Wie ist es Ihnen
überhaupt gelungen, Lady Danbury zu dieser Tageszeit zu entkommen?«
»Sie macht
einen Mittagsschlaf.«
»Schon
wieder?« Er wirkte aufrichtig überrascht.
Sie zuckte die Achseln. »Ich fand es
genauso unvorstellbar wie Sie, aber sie bestand darauf. Sie erbat sich
absolute Ruhe und trug mir auf, sie nach genau siebzig Minuten wieder zu
wecken.«
»Siebzig?«
Elizabeth verzog das Gesicht. »Um
mich auf Trab zu halten. Ich zitiere sie übrigens wörtlich.«
»Das wiederum überrascht mich
nicht.« James trommelte mit den Fingern auf der Platte des Tisches in der
Bibliothek. »Wir können anfangen, sobald Sie heute Nachmittag freihaben. Ich
brauche noch etwas Zeit, einen Unterrichtsplan auszuarbeiten, und ...«
»Einen
Unterrichtsplan?« wiederholte sie.
»Wir müssen uns unbedingt
organisieren. Durch die richtige Organisation erreicht man jedes Ziel.«
Sie riss
die Augen auf.
»Warum
sehen Sie mich so an?« fragte er stirnrunzelnd.
»Sie hörten sich gerade genau wie
Lady Danbury an. Genauer gesagt, sie benutzt genau denselben Spruch.«
»Tatsächlich?« James räusperte
sich. Verdammt, er wurde nachlässig. Elizabeth und ihre blauen Augen ließen ihn
immer öfter vergessen, dass er ja eigentlich getarnt arbeitete. Er hätte
niemals einen von Tante Agathas Lieblingssprüchen benutzen dürfen. All diese
Sprüche hatte sie ihm als Kind so oft eingebläut, dass sie mittlerweile zu seinen eigenen geworden waren. Er hatte völlig vergessen, dass er mit dem einzigen
anderen Menschen sprach, der Tante Agatha so gut kannte wie er. »Was für ein
Zufall«, behauptete er mit fester Stimme. Seiner Erfahrung nach glaubten
ihm die Menschen gern alles, was er sagte, solange er sich dabei anhörte, als
wüsste er genau, wovon er redete.
Auf Elizabeth traf das
offensichtlich nicht zu. »Sie sagt das mindestens einmal pro Woche.«
»Nun, dann habe ich den Spruch
bestimmt von ihr aufgeschnappt.«
Diese Erklärung schien sie zu
akzeptieren, denn sie ließ das Thema fallen. »Sie sagten davor etwas von einem Unterrichtsplan ...«
»Richtig. Ich werde mir jetzt
Gedanken darüber machen, und dann treffen wir uns, wenn Sie Feierabend haben.
Ich begleite Sie nach Hause, und auf dem Weg können wir dann schon
anfangen.«
Sie lächelte schwach. »Sehr gut. Ich
treffe Sie dann um fünf nach halb fünf am Haupttor. Ich habe schon um halb fünf
frei«, erklärte sie, »aber ich brauche fünf Minuten bis zum Tor.«
»Können wir uns nicht einfach hier
treffen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es
sei denn, Sie wollen, dass ganz Danbury House über uns tuschelt.«
»Ein ausgezeichnetes Argument. Also
dann am Haupttor.«
Elizabeth nickte und verließ den
Raum, aber ihre Beine zitterten so sehr, dass sie nicht weiter kam als bis zu
der gepolsterten Bank. Großer Gott, worauf hatte sie sich bloß eingelassen?
Miau.
Sie sah nach unten. Malcolm, dieser
teuflische Kater, saß zu ihren Füßen und starrte sie an, als wäre sie eine von
den Mäusen aus der Küche. »Was willst du?«
Die Katze schien die Achseln zu
zucken. Elizabeth hatte gar nicht gewusst, dass Katzen so etwas konnten,
andererseits hatte sie sich aber auch nie träumen lassen, dass sie sich
einmal in Danbury House mit ihrem erklärten vierbeinigen Feind unterhalten
würde.
»Du hältst mich wohl für ziemlich
albern, nicht wahr?«
Malcolm gähnte.
»Ich habe eingewilligt, dass Mr.
Siddons mir hilft, einen Ehemann zu finden.«
Die Ohren des Katers richteten sich
nach vorn.
»Ja, ich weiß, du magst ihn lieber
als mich. Du magst jeden lieber als mich.«
Der Kater schien wieder die Achseln
zu zucken und machte keine Anstalten, ihr zu widersprechen.
»Du glaubst wohl, ich schaffe es
nicht, oder?«
Malcolms Schwanzspitze fing an zu
zucken, und diesmal wusste Elizabeth nicht, wie sie das übersetzen sollte. Auf
Grund der erwiesenen Abneigung, die Malcolm ihr entgegenbrachte, tendierte
sie zu der Annahme, dass er ihr damit sagen wollte: »Ich hätte
hundert Mal mehr Chancen einen Ehemann zu finden als du!«
»Elizabeth?«
Sie schrak zusammen und wurde rot.
James sah aus der Bibliothek und betrachtete sie
verwundert.
»Sprechen Sie mit dem Kater?«
»Nein.«
»Ich könnte schwören, ich hätte Sie
eben mit Malcolm reden hören.«
»Nun, das habe ich nicht
getan.«
»Ach so.«
»Warum sollte ich mit ihm reden? Er
verabscheut mich.«
Seine Mundwinkel zuckten.
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