Julia Quinn
Beziehung eingehe.« Sie sah ihn
achselzuckend an. »Mein einziger Ausweg ist eine Heirat. Ich glaube, das
bedeutet für eine Frau, ein Überlebenskünstler zu sein.« Sie verstummte,
und man merkte ihr an, dass sie nicht wusste, ob sie lächeln oder die Stirn
runzeln sollte. »Ziemlich unangenehm, finden Sie nicht auch?«
James antwortete nicht gleich. Er
hielt sich eigentlich für einen aufgeschlossenen, toleranten Menschen, aber
kein einziges Mal hatte er versucht sich vorzustellen, wie es sein musste, in
den engen, drückenden Schuhen einer Frau zu stecken. Er hatte sein Leben mit
den unzähligen Möglichkeiten immer für etwas Selbstverständliches gehalten.
Sie neigte den Kopf zur Seite.
»Warum sehen Sie mich so eindringlich an?«
»Aus Respekt.«
Sie wich überrascht zurück. »Wie
bitte?«
»Ich habe Sie schon vorher
bewundert. Sie schienen mir eine ungewöhnlich intelligente und amüsante junge
Frau zu sein. Doch jetzt wird mir klar, dass Sie meinen Respekt ebenso
verdienen wie meine Bewunderung.«
»Oh, ich ...« Sie errötete und
wusste nicht, was sie sagen sollte.
Er schüttelte den Kopf. »Ich wollte
nicht bewirken, dass Sie sich unbehaglich fühlen.«
»Das haben Sie auch nicht«,
schwindelte sie kläglich.
»Doch, und ganz sicher hatte ich
nicht vor, dass das hier so ein ernster Nachmittag wird. Wir haben Arbeit vor
uns, aber das muss nicht bedeuten, dass
wir uns dabei nicht ein wenig amüsieren.«
Sie
räusperte sich. »Was schwebt Ihnen also vor?«
»Wir haben nicht viel Zeit, daher
müssen wir Prioritäten setzen. Wir dürfen uns nur auf die wichtigsten Dinge
konzentrieren.«
»Die da
wären?«
»Küssen und
Boxen.«
Elizabeth
ließ ihre Tasche fallen.
»Sie
scheinen überrascht?«
»Ich kann wirklich nicht sagen,
welches von beiden mich mehr überrascht.«
Er bückte sich und hob ihre Tasche
auf. »Dabei ergibt beides zusammen absolut einen Sinn, wenn Sie einmal genauer
darüber nachdenken. Ein Gentleman wird eine Dame küssen wollen, bevor er ihr
einen Heiratsantrag macht.«
»Nicht, wenn er Achtung vor ihr
hat«, erinnerte sie ihn. »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Männer
unverheiratete Frauen nicht küssen, wenn sie sie respektieren.«
»Ich habe
Sie geküsst.«
»Das ...
nun, das ... war etwas anderes.«
»Und ich glaube, ich habe Ihnen
klargemacht, wie sehr ich Sie respektiere. Doch genug davon.« Er wischte
ihren Einwand beiseite. »Sie müssen mir vertrauen, wenn ich Ihnen sage, dass
kein halbwegs vernünftiger Mann eine Frau heiratet, ohne sich vorher zu
vergewissern, was da auf ihn zu kommt.«
»So betrachtet hört sich das ja sehr
romantisch an«, murmelte sie.
»Das wiederum kann Sie jedoch in
eine unangenehme Situation bringen.«
»Ach, das
ist Ihnen also doch klar?« fragte sie sarkastisch.
Er warf ihr einen strengen Blick zu
und schien sichtlich irritiert durch ihre ständigen Unterbrechungen. »Manchen
Gentlemen fehlt es an gesundem Menschenverstand und Urteilsvermögen, so dass
sie den Kuss nicht im richtigen Moment abbrechen. Und deshalb müssen Sie lernen
zu boxen.«
»Und das wollen Sie mir alles an
einem einzigen Nachmittag beibringen?«
Gelassen zog er seine Taschenuhr
hervor und klappte sie auf. »Nein, für heute Nachmittag hatte ich nur das
Küssen vorgesehen. Dem Boxen widmen wir uns morgen.«
»Und Sie sind im Faustkampf
ausgebildet?«
»Natürlich.«
Sie betrachtete ihn argwöhnisch.
»Sind die Unterrichtsstunden nicht furchtbar teuer? Ich habe gehört, dass es
in London nur ganz wenige wirklich gute Boxlehrer gibt.«
»Es gibt stets Mittel und
Wege«, behauptete er. Er zog eine Braue hoch. »Sagten Sie nicht, ich sei
ein Mensch, der immer wieder auf den Füßen landet?«
»Jetzt werden Sie mir wohl
weismachen, dass Sie in perfekter Boxhaltung auf den Füßen landen!«
Er lachte und führte ein paar
Boxhiebe in die Luft aus. »Es gibt nichts Besseres, um den Kreislauf in Schwung
zu bringen.«
Sie runzelte zweifelnd die Stirn.
»Es sieht nicht unbedingt nach einer sehr weiblichen Betätigung aus.«
»Ich dachte, wir hätten uns
geeinigt, Mrs. Seetons Auffassung von Weiblichkeit nicht zu teilen.«
»Das tun wir auch nicht«, gab
sie zurück. »Aber wir versuchen, einen Ehemann für mich zu finden.«
»Ach ja, einen Ehemann«,
stimmte er düster zu.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass
es auch nur einen Mann in England gibt, der gerne eine Boxerin heiraten
möchte!«
»Sie brauchen auch keine Boxerin zu
sein. Sie müssen
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