Julia Quinn
»Stimmt,
das sagten Sie.«
Sie tat so, als merkte sie nicht,
wie brennend rot ihre Wangen waren. »Haben Sie nicht noch
etwas zu erledigen?«
»Richtig, der Unterrichtsplan. Wir
sehen uns um kurz nach halb fünf.«
Elizabeth wartete, bis sie die Tür
zur Bibliothek ins Schloss klicken hörte. »Ich bin
verrückt geworden!«
hauchte sie. »Vollkommen
verrückt!«
Um das Ganze noch schlimmer zu
machen, nickte der Kater.
10. KAPITEL
Um Viertel vor vier erreichte James das Haupttor in dem
Bewusstsein, dass es noch viel zu früh war, aber irgendwie hatte er es nicht
mehr abwarten können, zum vereinbarten Treffpunkt zu gehen. Den ganzen
Nachmittag war er schon so ruhelos gewesen, hatte mit den Fingern auf
Tischplatten getrommelt und war auf und ab gegangen. Er hatte versucht, sich
hinzusetzen und den Unterrichtsplan niederzuschreiben, über den er sich den
Kopf zerbrach, aber die Worte wollten ihm nicht aus der Feder fließen.
Er hatte keinerlei Erfahrung darin,
eine junge Dame auf das Gesellschaftsleben vorzubereiten. Die einzige junge
Dame, die er wirklich gut kannte, war die Frau seines besten Freundes Blake
Ravenscroft. Und Caroline war selbst nicht gerade gut auf das Gesellschaftsleben
vorbereitet worden. Alle seine anderen weiblichen Bekannten waren genau der Typ
Frau, in den Mrs. Seeton auch Elizabeth verwandeln wollte. Genau der Typ
Frau, vor dem er so erleichtert aus London geflohen war.
Was verlangte er denn von
einer Frau? Sein Bestreben, Elizabeth zu helfen, beschwor diese Frage offenbar
herauf. Wie sollte seine Ehefrau sein? Er musste eines Tages heiraten, daran
führte kein Weg vorbei. Aber es war ihm immer so schwer gefallen, sich
vorzustellen, dass er den Rest seines Lebens an der Seite einer scheuen Blume
verbringen würde, die Angst hatte, ihre Meinung zu äußern.
Oder noch schlimmer – einer scheuen
Blume, die nicht einmal eine eigene Meinung hatte. Und den Dolchstoß versetzte ihm der Gedanke, dass diese ganzen jungen Damen ohne Meinung
unweigerlich mit umso rechthaberischeren Müttern daherkamen.
Nun, er war da nicht ganz gerecht,
das musste er zugeben.
Er hatte ein paar junge Damen kennen gelernt, die
ganz interessant gewesen waren. Nicht viele, aber doch ein paar. Eine oder zwei
von ihnen hätte er sogar heiraten können, ohne befürchten zu müssen, dass er
sich damit sein Leben ruinierte. Es wäre keine Liebesheirat gewesen, und es
hätte auch nicht die große Leidenschaft gegeben, aber er hätte sich wohl
einigermaßen zufrieden fühlen können.
Was also hatten diese jungen Damen
gehabt, die flüchtig seine Aufmerksamkeit geweckt hatten? Eine gewisse
Lebensfreude, ein ungekünsteltes Lächeln, einen lebhaften Glanz in den Augen.
James war klar, dass er nicht der einzige Mann gewesen war, dem alle diese
Dinge aufgefallen waren – sämtliche dieser jungen Damen waren ziemlich schnell
geheiratet worden, und meist von Männern, die er mochte und respektierte.
Lebensfreude. Vielleicht war das der
Schlüssel. James hatte den ganzen Morgen in dem Ratgeber gelesen und sich
vorgestellt, wie mit jedem Edikt etwas mehr von dem unvergleichlichen Glanz in
Elizabeths Augen verlöschen würde. Er wollte nicht, dass sie in das Schema der
idealen jungen Engländerin gezwängt wurde, so wie sie dieser Mrs. Seeton
offenbar vorschwebte. Er wollte nicht, dass sie mit gesenktem Blick
einherschritt, geheimnisvoll und ernst. Er wollte einfach nur, dass sie sie
selbst war.
Elizabeth schloss die Haustür von Danbury
House hinter sich und ging die Zufahrt hinunter. Ihr Herz raste, ihre
Handflächen waren feucht, und obwohl es ihr gar nicht einmal so peinlich war,
dass James ihr Geheimnis entdeckt hatte, so war sie doch unvorstellbar nervös.
Den ganzen Nachmittag hatte sie auf
sich selbst geschimpft, weil sie sein Angebot angenommen hatte. Hatte sie sich
nicht erst in der vergangenen Nacht in den Schlaf geweint, weil sie gedacht
hatte, sie könnte ihn lieben? Einen Mann, den sie niemals würde heiraten
können? Und nun begab sie sich gezielt in seine Gesellschaft, gestattete ihm,
sie zu necken, mit ihr zu flirten ...
Großer Gott, und wenn er sie nun
wieder küssen wollte? Er hatte gesagt, er wolle ihr beibringen, wie man andere
Männer becirct. Wenn dazu nun das Küssen gehörte? Und wenn ja, sollte sie es
dann zulassen?
Sie stöhnte. Als ob sie in der Lage
gewesen wäre, ihn davon abzuhalten. Jedes Mal, wenn sie sich im selben Zimmer
aufhielten, wanderte ihr Blick unweigerlich zu seinem Mund, und
Weitere Kostenlose Bücher