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Julia Quinn

Julia Quinn

Titel: Julia Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit List und Küssen
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selbst.
    »Kannst du es richten?«, fragte Honoria.
    »Ich weiß nicht. Ich kann es versuchen. Es ist nur ...« Lady
Winstead hielt inne, atmete durch gespitzte Lippen aus. »Könnte mir jemand die
Stirn abwischen?«
    Honoria begann aufzustehen, doch Mrs Wetherby kam ihr zuvor und
wischte Lady Winstead mit einem kühlen Tuch das Gesicht ab.
    »Es ist so heiß hier drin«, bemerkte
Lady Winstead.
    »Man hat uns gesagt, wir sollen die Fenster geschlossen halten«,
erklärte Mrs Wetherby. »Der Arzt hat darauf bestanden.«
    »Derselbe Arzt, dem die Wunde an seinem Bein entgangen ist?«,
fragte Lady Winstead scharf.
    Die Haushälterin antwortete nicht, trat aber ans Fenster und
öffnete es ein Stück.
    Honoria betrachtete ihre Mutter aufmerksam. Sie erkannte sie kaum
wieder in dieser konzentrierten, entschlossenen Frau. »Danke, Mama«,
flüsterte sie.
    Ihre Mutter sah auf. »Ich werde diesen Jungen hier nicht sterben
lassen.«
    Er war zwar kein Junge mehr, doch Honoria fand es nicht weiter
erstaunlich, dass ihre Mutter ihn immer noch als solchen betrachtete.
    Lady Winstead kehrte an ihr Werk zurück und sagte sehr leise: »Das
bin ich Daniel schuldig.«
    Honoria erstarrte. Dies war das erste Mal,
dass ihre Mutter den Namen ihres Sohnes aussprach, seit er in Schimpf und
Schande das Land verlassen hatte. »Daniel?«, wiederholte sie behutsam.
    Lady Winstead blickte nicht auf. »Einen Sohn habe ich bereits
verloren«, war alles, was sie sagte.
    Honoria sah erst ihre Mutter erschrocken an, dann schaute sie auf
Marcus und dann wieder zu ihrer Mutter. Ihr war nicht klar gewesen, dass Marcus
für ihre Mutter wie ein Sohn war. Und sie fragte sich, ob Marcus es wusste,
denn ...
    Sie sah ihn wieder an und schluckte an ihren Tränen. Er hatte sich
sein ganzes Leben lang nach einer Familie gesehnt. War ihm überhaupt bewusst,
dass er bei ihnen eine gefunden hatte?
    »Brauchst du eine Pause?«, erkundigte
sich ihre Mutter.
    »Nein.« Honoria schüttelte den Kopf, obwohl ihre Mutter sie
gar nicht ansah. »Nein, ich bin schon in Ordnung.« Sie nahm sich einen
Augenblick Zeit, um sich zu sammeln, beugte sich dann über Marcus und flüsterte
ihm ins Ohr: »Hast du das gehört? Mama ist wild entschlossen. Enttäusche sie
also nicht.« Sie streichelte ihm über das Haar, strich ihm eine dicke,
dunkle Locke aus der Stirn. »Oder mich.«
    »Aaaargh!«
    Honoria zuckte zurück. Hin und wieder tat ihre Mutter etwas, was
ihm noch größere Qualen verursachte, und dann bäumte er sich mit dem ganzen
Körper gegen die Stoffstreifen, mit denen sie ihn am Bett festgebunden hatten.
Es war ein schrecklicher Anblick, aber noch schlimmer war, wie es sich
anfühlte. So, als durchzuckte sein Schmerz auch sie.
    Nur dass sie dabei keinen Schmerz empfand,
sondern Übelkeit. Ihr war sterbenselend. Denn es war alles ihre Schuld. Es war
ihre Schuld, dass er in dieses dämliche falsche Maulwurfsloch getreten war,
ihre Schuld, dass er sich den Knöchel verstaucht hatte. Es war ihre Schuld,
dass man ihm den Stiefel hatte aufschneiden müssen, und ihre Schuld, dass er
deswegen so krank war.
    Und wenn er starb, wäre das auch ihre Schuld.
    Wieder versuchte sie, den Kloß, der sich in
ihrer Kehle bildete, hinunterzuschlucken, beugte sich noch weiter vor und
sagte: »Es tut mir so leid. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das
alles tut.«
    Marcus wurde ganz still, und einen atemlosen
Augenblick dachte Honoria, er hätte sie gehört. Doch dann erkannte sie, dass es
nur daran lag, dass ihre Mutter eine Pause eingelegt hatte. Ihre Mutter hatte
die Worte gehört, nicht Marcus. Aber wenn sie Neugier empfand, so zeigte sie es nicht. Sie fragte nicht
nach, was Honorias Entschuldigung zu bedeuten hatte, sie nickte nur ein wenig
und machte sich wieder an die Arbeit.
    »Ich finde, wenn es dir wieder besser geht, solltest du nach
London kommen«, fuhr Honoria fort, nun wieder in betont munterem Ton.
»Wenn schon sonst nichts, so brauchst du doch zumindest ein neues Paar Stiefel.
Vielleicht welche, die etwas lockerer sitzen. Ich weiß, das ist zurzeit nicht en
vogue, aber vielleicht könntest du ja eine neue Mode starten.«
    Er zuckte zusammen.
    »Wir könnten auch einfach auf dem Land
bleiben. Die Saison ausfallen lassen. Ich weiß, ich habe dir erzählt, dass ich
dieses Jahr unbedingt heiraten will, aber ...« Sie warf ihrer Mutter einen
verstohlenen Blick zu, rückte noch ein Stück näher und wisperte: »Meine Mutter
wirkt auf einmal ganz anders. Ich glaube, ich kann

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