Julia Saison Band 01
zusammengebunden.
„Fertig?“, fragte Christopher und ging voraus, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Schon von Weitem hörte Lilian das Gemecker der Ziegen, und als sie mit Christopher die Weide betrat, kamen sie mit wackelnden Stummelschwänzen den Hügel heruntergelaufen, hell- und dunkelbraune, weiße und gefleckte.
Irgendwie sahen sie süß aus mit ihren Stupsnasen und den abstehenden Ohren.
Jedes Tier hatte ein Band um den Hals mit einem Schildchen dran. Plötzlich war Lilian von der Herde umringt, aber die Ziegen zeigten an ihr nicht das geringste Interesse, sondern drängten sich an Christopher. Na klar! Waren ja auch Mädels.
„Na, die hast du aber ganz schön becirct“, frotzelte sie.
„Das ist mein natürliches Charisma“, erwiderte Christopher, ging zu einem Metallgatter und öffnete es. Sofort kamen die Ziegen angelaufen, ihrer Anführerin hinterher, an deren Kinn eine weiße Locke baumelte.
„Ich dachte, nur männliche Ziegen hätten Bärte.“
„Du meinst die Ziegenböcke. Ja, aber du darfst Gilda nicht so anstarren, sonst wird sie ganz verlegen. Sie kann ja nichts dafür, dass sie einen Damenbart hat.“
Eine kleine Ziege mit hellbraunem Fell stupste ihre winzige Schnauze gegen Lilians Hand.
„Sie probiert, ob du essbar bist. Stimmt’s, Tallulah?“
„Tallulah?“
„Lilian war leider schon vergeben.“
Die kleine Ziege schloss verzückt die Augen, als Lilian sie hinter dem Ohr kraulte. „Ah, das gefällt dir wohl?“
„Sieht so aus, als hättest du eine neue Freundin gewonnen. Und Tallulah kann gut eine gebrauchen, denn die großen Ziegen schubsen sie ständig herum.“
„Das ist aber nicht nett von den anderen, oder, Tallulah?“ Die kleine Ziege ließ ein zustimmendes Meckern hören.
Lilian deutete auf eine hellbraune Ziege mit weißen Flecken am Kopf. „Und wie heißt die?“
„Mabel.“
Lilian fragte die Namen der am nächsten stehenden Ziegen ab, und Christophers Antwort kam jedes Mal wie aus der Pistole geschossen.
„Kennst du sie wirklich alle mit Namen?“
„Klar, ich habe sie schließlich großgezogen. Wir entwöhnen sie recht bald von ihrer Mutter, und dann kriegen sie die Flasche. Als ich anfing, waren es nur zehn Ziegen.“
„Und jetzt sind es hundert. Kreuzt du sie etwa mit Kaninchen?“
„Spike, Mike und Leroy nehmen ihren Job eben sehr ernst.“
Sie blickte ihn verdutzt an.
„Die drei Ziegenböcke. Die sind auf einer separaten Weide auf dem Hügel. Von denen hältst du dich besser fern.“
„Beißen sie etwa?“
„Nein, sie sind freundliche Gesellen, nur leider haben sie ein Problem.“
„Ja?“
„Sie stinken fürchterlich.“
Lilian verdrehte die Augen. „Wie nett.“
Die kleine Ziege drängte sich immer noch an Lilian und ließ sich von ihr den Hals streicheln. „Ihr Herz hast du jedenfalls schon gewonnen. Vielleicht bist du ja die geborene Ziegenhirtin.“
„Carter hat schon immer behauptet, dass ich eines Tages meine wahre Bestimmung finden würde“, versetzte sie trocken.
Die Käserei wirkte mit den blendendweißen Kacheln an Wänden und Boden und den blitzblank polierten Stahltheken wie ein steriles Labor. Sie zogen beide weiße Mäntel an, setzten Plastikhauben auf und streiften Überzieher über ihre Schuhe.
Mit einem Thermometer prüfte Christopher die Temperatur der Milch in einem großen Stahlbottich. Er nickte zustimmend und goss eine Flüssigkeit hinein.
„Was ist das?“
„Ein Ferment. Das nimmt man, damit die Milch gerinnt. Hier, nimm den großen Löffel und rühre um.“
Vor ihren erstaunten Augen begann die Milch sich auf geheimnisvolle Weise zu verdicken. Faszinierend.
„Und jetzt?“, fragte sie und nahm den Löffel aus dem Bottich.
„Jetzt muss das Ganze eine Stunde ruhen, bis der Gerinnungsprozess beendet ist. In der Zwischenzeit können wir den Käse, den ich gestern gemacht habe, in den Trockenraum bringen.“
Er drehte sich zu einem abgedeckten Regal um und zog ein großes Blech voller kleiner Plastikschalen mit Ziegenkäse heraus. Dann stürzte er eine Schale nach der andern auf ein leeres Blech, bis es voller kleiner Käsepyramiden war.
Lilian griff nach einer Plastikschale.
„Nein, nicht so …“, wandte Christopher erschrocken ein, aber zu spät, sie hatte die Schale schon umgestülpt. Leider blieb der Käse halb darin stecken.
„Ups“, sagte sie erschrocken.
„Der hätte mir vier Dollar eingebracht“, bemerkte Christopher leicht gereizt. „Haben wir nicht vereinbart, dass du nur
Weitere Kostenlose Bücher