Julia Saison Band 01
umsonst zur Verhandlung gekommen bist.“
„Der Oberstaatsanwalt hat uns gern im Saal, auch wenn unsere Aussagen nicht benötigt werden. Und der Fall ist nicht wirklich meiner. Ich war nur zufällig der erste Kollege am Tatort und habe die Stellung gehalten, bis der Streifenwagen eingetroffen ist.“
„Ich dachte, ihr Schreibtischhengste übernehmt keine Einsätze.“ Lachend ging Anderson in sein Büro.
Chuck folgte ihm ohne Aufforderung. „Ich war bloß in der Nähe, während alle Kollegen gerade im Einsatz bei einem schweren Auffahrunfall in der Twelfth Street waren.“
Anderson zog sich die Robe aus, hängte sie an einen Haken bei der Tür und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Gibt es sonst irgendetwas Neues?“
„Warum hast du es getan? Warum hast du die außergerichtliche Einigung verworfen und sie zur Teilnahme an dem Projekt verdonnert?“
„Ehrlich gesagt war dieses Urteil ursprünglich gar nicht geplant. Ich wollte ihr eine härtere Strafe aufbrummen. Aber letztendlich konnte ich es nicht. Und durch deine Anwesenheit ist mir das Projekt eingefallen. Das ist doch die perfekte Lösung. Auf diese Weise ist ihr Führungszeugnis Ende Januar wieder sauber und nicht erst in einem Jahr.“
Chuck versuchte gar nicht erst, sein Grinsen zu verbergen. Er setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. „Sie hat dir den Kopf verdreht.“
„Nein. So etwas lasse ich nicht zu. Außerdem darf ich mich gar nicht beeinflussen lassen. Meine Aufgabe – mein einziges Anliegen ist es, Recht zu sprechen, und ich denke, das habe ich getan.“
„Dein weicher Kern lässt sich blicken, Andy.“
„Nenn mich nicht so. Nicht hier.“ Verstohlen spähte Anderson durch die offene Tür zu seiner Sekretärin.
„Ich habe nichts gehört!“, rief Joyce.
„Meineid ist ein Vergehen“, erklärte Chuck.
„Ich habe keinen Eid abgelegt“, widersprach sie. „Also ist es kein Meineid.“
Anderson murrte: „Ein Richter verdient eigentlich mehr Respekt.“
„Wir wollen doch nicht, dass dir deine Position zu Kopf steigt“, entgegnete Chuck. „Aber vorläufig habe ich dich genug aufgezogen. Ich muss zurück ins Präsidium.“ Er ging ein paar Schritte zur Tür, drehte sich wieder um und witzelte: „Mach dir keine Sorgen, Andy. Ich werde mich bemühen, keine Gerüchte über deinen weichen Kern und deine Schwäche für rührselige Geschichten zu verbreiten.“ Und damit eilte er aus dem Büro und schloss die Tür hinter sich, sodass er die polternde Erwiderung nicht verstehen konnte.
Natürlich behielt er für sich, dass er Andersons Schwäche für Carly Lewis’ rührselige Geschichte teilte.
Er dachte daran zurück, wie hilflos sie bei dem Brand geweint hatte, und wie trotzig sie bei der Verhandlung aufgetreten war. Ihm wurde bewusst, dass er außerdem eine ausgeprägte Schwäche für diese zierliche Frau hatte.
Er konnte es nicht erwarten, sie wiederzusehen. Zum Glück stand dieses Wiedersehen kurz bevor, auch wenn sie es noch nicht einmal ahnte.
Eine äußerst hektische Woche lag hinter Carly: Gerichtsverhandlung und Weihnachtsmarkt am Montag, Heiligabend am Mittwoch, Sonderschichten im Krankenhaus ab Donnerstag. Zum Glück hatte Dean die Kinder am ersten Weihnachtstag abgeholt, um sie bis Samstag bei sich zu behalten. Somit war ihr neben der Arbeit im Krankenhaus Zeit geblieben, um für ihre Prüfung zu lernen.
Am Freitag gönnte sie sich einen freien Abend und fuhr ins Colao Restaurant zu einem Meeting des Festtagskomitees. Es war keine ordentliche Tagung. Vielmehr traf sie sich mit Samantha und Michelle in dem italienischen Restaurant, um Weihnachten ebenso zu feiern wie die Tatsache, dass das Komitee schon zwei Drittel seiner Aufgaben erledigt hatte.
Der Festzug zu Thanksgiving und der Weihnachtsmarkt waren sehr erfolgreich verlaufen. Die Organisatorinnen Samantha und Michelle hatten hervorragende Arbeit geleistet. Nun blieb nur noch die Valentinstanzveranstaltung, die Carly gestalten musste. Sie hoffte, dass alles ebenso gut klappte wie bei den beiden vorangegangenen Events. Doch damit wollten sie sich erst bei der nächsten offiziellen Sitzung beschäftigen. Für diesen Abend war lediglich ein freundschaftliches Beisammensein geplant.
Samantha saß bereits an einem Tisch, als Carly das Restaurant betrat. Kaum hatten sie sich begrüßt, da schneite Michelle herein und rief: „Frohe Weihnachten! Ich habe große Neuigkeiten.“ Sie zog sich die Handschuhe aus und wedelte mit dem
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