Julia Saison Band 01

Mutter zu hören?“ Er drehte sich mit seinem Stuhl herum, damit er aus dem Fenster auf den Perry Square hinuntersehen konnte. Autos säumten den Platz. Er fragte sich, ob eines von ihnen Carly gehörte, und wenn ja, welches es war.
    „Manche Söhne freuen sich bestimmt, von ihren Müttern zu hören, aber du, mein lieber Charles, du gehörst nicht zu ihnen. Zumindest nicht mehr, wenn ich dir sage, dass du dieses Wochenende zum Dinner erwartet wirst. Ich weiß, dass erst Montag ist“, versicherte sie hastig, „aber ich weiß auch, dass du zu beschäftigt bist, um zu kommen, wenn ich dir nicht früh genug Bescheid gebe. Zu beschäftigt ist übrigens sarkastisch gemeint, wie ich betonen möchte, falls es dir über das Telefon entgangen sein sollte.“
    „Ich habe es vernommen.“ Man musste nicht sonderlich scharfsinnig sein, um den Zynismus seiner Mutter zu bemerken. Zarte Andeutungen lagen ihr nicht besonders – wahrscheinlich, weil sie sich gar nicht erst darin versuchte.
    „Was bist du doch für ein kluger Sohn! Das musst du von deiner sehr intelligenten Mutter haben, die dir hiermit offiziell bekannt gibt: Dinner am Sonntag.“
    „Ich werde kommen, wenn ich kann. Aber du weißt ja, was mein Beruf bedeutet.“
    „Ich weiß, dass du zum ersten Mal, seit du Polizist geworden bist, geregelte Arbeitszeiten hast. Montag bis Freitag von neun bis fünf. Keine Spätschichten, kein Dienst an Sonn- und Feiertagen. Somit kannst du am Wochenende zum Dinner kommen. Das ist übrigens ein guter Vorsatz für das neue Jahr: jeden Sonntag mit deiner Familie zu essen.“
    „Ich dachte, ich sollte meine guten Vorsätze selbst fassen.“ Chuck suchte den Bürgersteig ab, hielt Ausschau nach Carly Lewis.
    „Hast du es denn getan?“, konterte seine Mutter.
    „Bis Neujahr sind ja noch ein paar Tage hin. Da bleibt mir genug Zeit.“
    „Du hast auch Zeit, das neue Jahr mit wöchentlichen Familientreffen zu beginnen. Fünf Uhr am Sonntag. Wenn du nicht erscheinst, lasse ich von Andy eine Anklage wegen Missachtung gegen dich erwirken.“
    „Kommt Andy auch?“, fragte er verblüfft.
    Mit gequälter Stimme erklärte sie: „Andy gehört nach wie vor zur Familie. Also kommt er natürlich.“ Wie um dem unverkennbaren Kummer in ihrer Stimme entgegenzuwirken, fügte sie in herrischem Ton hinzu: „Und du erscheinst ebenfalls. Pünktlich um fünf.“
    „Ich …“
    „Ach ja, vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass du gern eine Begleitung mitbringen darfst, falls du gerade mal wieder mit einer Frau ausgehst. Du kennst mich ja. Ich koche immer doppelt so viel, wie wir brauchen.“
    Da war sie. Carly . Er behielt sie im Auge, um zu sehen, welchem Auto sie sich näherte. Aber sie eilte in den Park, in Richtung Pavillon.
    Da er nichts sagte, fügte seine Mutter hinzu: „Charles, es wird Zeit, dass du endlich wieder eine feste Bindung eingehst. Es ist lange her seit Ami.“
    Mit dreiundzwanzig, als er in den Polizeidienst eingetreten war, hatte er beabsichtigt, für immer mit Ami zusammenzubleiben. Aber die Beziehung war schon nach einem Jahr zerbrochen, was hauptsächlich an seinen endlosen Spät- und Nachtschichten und der unregelmäßigen Freizeit lag.
    „Ich hatte einige Beziehungen nach Ami“, entgegnete Chuck zerstreut.
    Seine Aufmerksamkeit galt Carly. Was hatte sie vor? Wohin wollte sie?
    „Aber keine hat angedauert. Keine war ernst. Du warst mit keiner Frau lange genug zusammen, um sie mit nach Hause zu bringen.“
    „Ich bin erwachsen, Mom.“
    „Und ich bin deine Mutter. Ich will, dass du glücklich wirst. Du brauchst eine anständige Frau in deinem Leben. Und mein guter Vorsatz für das neue Jahr besteht darin, jemanden für dich zu finden.“
    „Dass du dich schon wieder als Kupplerin aufspielst, hat mir gerade noch gefehlt! Ich habe es nicht nötig, mir von meiner Mutter eine Frau aussuchen zu lassen.“
    „Gut. Dann bring selbst eine Freundin mit.“
    „Mom …“
    „Es ist mir ernst, Charles. Entweder findest du eine Frau, oder ich suche eine für dich. Und wenn es dir bis Sonntag gelingt, dann bring sie mit zum Dinner.“
    Chuck schwieg, denn ihm fiel beim besten Willen keine Erwiderung ein. Dabei war er Polizeisprecher, wortgewandt und schlagfertig gegenüber den Medien und auch bei Gemeindeveranstaltungen wie dem Projekt Sicherheitsschulung.
    Er war derjenige, der vorgeschoben wurde, wann immer Reporter das Präsidium stürmten, um Details über einen Fall zu erfahren. Ihm war die Position übertragen