Julia Saison Band 05
hätte es mich umgebracht, das zuzugeben, aber ich schätze, jetzt ist es nicht mehr so schlimm. Von der Heilsarmee.“
Zärtlichkeit stieg in ihr auf. „Oh Mitch …“ Sie zwang sich wegzusehen, noch etwas Kalbsschnitzel zu essen, Pasta auf ihre Gabel zu wickeln. Einen Schluck Wein zu nehmen. Als sie das Gefühl hatte, ihn ansehen zu können, ohne dass ihr Tränen in die Augen stiegen, sagte sie: „Du hattest damals einen uralten Chrysler New Yorker, weißt du noch?“
„Das Auto war zwanzig Jahre alt.“ Stolz lag in seiner Stimme.
„Deswegen hat es wahrscheinlich dann auch den Geist aufgegeben.“
„Aber an dem Abend vom Ball“, erinnerte er sich, „da hatten wir den New Yorker noch. Und das war so richtig stilvoll. Du hast dieses rote Samtkleid getragen …“
„Das habe ich selbst gemacht. Meine Hauswirtschaftslehrerin hat mir erlaubt, eine Schulnähmaschine zu benutzen. Das Schnittmuster habe ich genommen, weil es so einfach war.“
„Egal. Du warst wunderschön.“
„Ach ja“, sagte sie leise. „Ich habe das Gefühl, das ist eine Ewigkeit her. Waren wir wirklich mal so jung?“
„Anscheinend.“
Sie merkte, dass ihr Blick von seinen Augen zu seinem Mund glitt und wieder zurück. Ihm ging es genauso.
Sie nahm noch einen Schluck Wein und genoss den Geschmack. „Das ist … so schön. Du und ich. Zurückzudenken. Sich an alte Zeiten zu erinnern. Es ist so viel Schlimmes passiert. Aber … wir haben uns damals geliebt.“
„Das haben wir“, stimmte er zu.
„Und obwohl es mit uns nicht geklappt hat, bin ich froh, dass wir zusammen waren. Und ich freue mich über das, was daraus entstanden ist. Über DeDe. Ich bin jeden Tag dankbar dafür, dass es sie gibt.“
„Ja. Sie ist etwas Besonderes.“ Er hob sein Glas. „Auf DeDe.“
„Und auf die Vergangenheit“, fügte Kelly hinzu. „Auf die guten alten Zeiten.“ Mit einem hellen, verheißungsvollen Klingen stießen die Gläser aneinander.
Als sie Mitch ansah, merkte sie, dass er sie musterte.
„Das sollte ich jetzt nicht erwähnen“, sagte er mit leiser Stimme.
Dann tu es nicht, hätte sie sagen sollen. Aber sie blieb stumm. Sie schaute ihm einfach in die Augen und wartete, dass er fortfuhr.
„Weißt du noch, nach dem Ball? Unser erstes Mal. Auf dem Rücksitz. Als ich deine Brüste sah, wäre ich fast vor Glück gestorben.“
Die Erinnerung wurde wieder lebendig: sein Gesicht über ihr, so voller Verlangen. Und Liebe. Sie hatte dasselbe gefühlt, so intensiv … „Das war so … furchterregend. Ich weiß noch, wie unsicher ich war. Wir hatten eigentlich keine Ahnung, was wir da machen. Wir haben einfach der Natur ihren Lauf gelassen.“ Sie merkte, dass sie flüsterte.
Er musste beinahe lächeln. „Dann hast du also Angst gehabt?“
„Oh ja. Und du?“
„Ich war in heller Panik.“
„Trotzdem war es … etwas ganz Besonderes.“
„Ich hatte Angst davor, dir wehtun zu müssen.“
„Das hast du auch getan. Aber ich wollte das ja. Ich wollte … dich.“
„Ich will dich jetzt“, sagte er.
Den Bruchteil einer Sekunde lang war sie nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. Sie schluckte, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ihr Magen schlug einen Purzelbaum, und ihr Herz hämmerte in der Brust.
Es war Zeit, diesem Wahnsinn ein Ende zu machen. Stattdessen antwortete sie: „Ich will dich auch. Ich will deine Hände spüren. Ich will dich auf mir spüren, in mir … Oh Gott, warum reden wir überhaupt darüber?“ Sie legte ihre Serviette hin und stand auf.
Er folgte ihrem Beispiel.
Dann standen sie sich gegenüber
„Daran können wir doch nicht ernsthaft denken“, flüsterte sie.
Seine Augen waren ganz dunkel, sein Blick intensiv. „Woran denn sonst? Nach all den Jahren. Nach allem … was wir zusammen hatten.“
„Aber du … du magst mich doch nicht einmal mehr, Mitch. Du bist so wütend auf mich.“
„Willst du die Wahrheit hören?“
„Bitte.“
„Ja, ich bin immer noch wütend. Aber ich sehe auch, wie du … bist. Wie du mit DeDe umgehst. Was für ein Mensch du bist. Hilfsbereit. Großzügig. Klug. Geduldig. Du beklagst dich nie, sondern tust einfach nur, was getan werden muss, und machst weiter. Ich kann nicht anders, als dich zu mögen. Sogar zu bewundern.“
Wärme stieg ihr in den Wangen auf. Sie freute sich sehr über das, was er sagte. Aber sie konnte den tieferen, negativen Sinn seiner Worte nicht ignorieren. „Hör dir selbst einmal zu. Du kannst nicht anders, als mich zu
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