Julia Saison Band 11
Becher zu.
Ihm fiel auf, dass ihre Hände leicht zitterten, und er murmelte ein Dankeschön. „Das solltest du dir noch einmal überlegen. Sie war immer anständig zu mir, aber vielleicht passt es ihr nicht, wenn ich dir zu nahe komme und du mich in ihr Haus lässt.“
Merritt blickte zu ihm auf. „Sie hat mir von deinem Onkel erzählt und von dem Preis, den du für deinen Kampf um Gerechtigkeit bezahlt hast. Das tut mir leid für dich.“
„Mir auch. Weil ich keinen Erfolg hatte.“
„Wie bitte?“
Überzeugt, dass Alvie ihr die offizielle Paxton-Version aufgetischt hatte, musste er seine Sicht der Geschichte wenigstens einer Person darlegen, die nicht wie die anderen die Wahrheit begraben sehen wollte. „Mein Onkel lebte noch lange genug, um mir das Fahrzeug und einen Teil des Kennzeichens beschreiben zu können. Daher wusste ich, dass der Pick-up von der Ranch meines Großvaters stammte – der Fahrer war, wie sich herausstellte, der Vormann auf der Ranch, Dane Jones. Ich wollte ihn stellen und zum Sheriff schleppen, doch jemand war mir zuvorgekommen. Jemand hatte ihn niedergeschlagen. Und als die Deputies mir auf den Fersen folgten, schob Jones mir die Schuld in die Schuhe.“
„Das ist ja schrecklich. Konnte dein Vater denn nicht einschreiten?“
„Er ist schon vor meiner Geburt gestorben“, erwiderte Cain finster.
„Und sein Vater, dein Großvater?“
Mit einem düsteren Blick vermittelte er ihr, dass er nicht mehr reden wollte. Merritt geriet aus der Fassung. „Man muss doch gesehen haben, dass deine Hände nicht verletzt waren und du dich demnach nicht geprügelt haben konntest?“
„Es ist eine lange Geschichte.“ Er hatte schon viel zu viel geredet, doch er wollte, dass sie begriff, was es bedeutete, mit einem Halbblut zu sympathisieren, der selbst bei seinem eigenen Fleisch und Blut als Ausgestoßener galt. Je mehr Distanz sie zu ihm hielt, desto besser für sie beide.
Cain ließ den Tee stehen und ging ins Wohnzimmer, wo er in seine Jacke schlüpfte und nach dem Zinkeimer und der Schaufel hinter dem Ofen griff.
„Ich nehme an, deine Mutter ist ebenfalls tot?“, fragte Merritt vom Küchendurchgang her.
„Sie ist bei meiner Geburt gestorben.“
„Lieber Himmel. Das tut mir auch leid.“
„Alles Vergangenheit. Hör zu …“, sagte er mit wachsendem Unbehagen, „… lass mich einfach den Ofen ausräumen und Holz holen. Ich habe noch anderes zu tun.“
„Natürlich. Ich komme jetzt allein zurecht. Bitte, lass dich von mir nicht aufhalten.“
Vor Verlegenheit glühten ihre Wangen, und Cain kam sich scheußlich vor. „Ich will dich nicht kränken“, sagte er mit einer Geduld, die er sonst nicht aufbrachte. Warum fasste er diesen kleinen Quälgeist mit Samthandschuhen an? Ihm war doch inzwischen alles und jeder egal! Das hatte er sich in seiner Zeit im Knast zumindest tausendmal eingeredet. „Ich bin nur … ich weiß, dass du dich in meiner Gegenwart nicht wohlfühlst. Und damit das klar ist, das gilt auch umgekehrt.“
Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen verstand sie nur Bahnhof.
„Warum fühlst du dich nicht wohl?“
Ihm fehlten die Worte, um ihre Frage zu beantworten, aber er kam sich in ihrer Nähe Jahrzehnte älter vor als dreiunddreißig. Cain beschloss, dass er Merritt am besten ihren naiven Ansichten über Recht und Ordnung in einer Kleinstadt überließ, und machte sich daran, die Asche in den Eimer zu schaufeln, den er dann hinter der Scheune ausleerte.
Dreimal musste er laufen, bevor er Kleinholz auf die restliche Glut häufen und das Feuer in Gang bringen konnte.
Als es schließlich zu seiner Zufriedenheit brannte, ging er wortlos nach draußen und stockte den Holzstapel auf der Veranda auf. Mittlerweile schneite es heftig, und der auffrischende Wind trieb die Flocken waagerecht vor sich her.
Irgendwann stand wie von Geisterhand gebracht sein Becher mit heißem Tee neben dem Holzstapel, und dankbar trank Cain ein paar wärmende Schlucke. Für diese Art von Arbeit bei derartigem Wetter benötigte man Hut und Handschuhe, und er besaß beides nicht. Das wusste Merritt – und sie ließ nicht zu, dass er vorgab, es mache ihm nichts aus.
Wenig später hatte er genug Holz für ein paar Tage herangeschafft. Als er überlegte, wo er den leeren Becher abstellen konnte, um nicht noch einmal ins Haus zu müssen, öffnete sich die Tür. Merritt trug ein Schultertuch über ihrer Schürze und drehte sich um, als ihr Schneeflocken ins Gesicht wehten. „Gib
Weitere Kostenlose Bücher