Julia Saison Band 11
Achselzucken. In ihren klobigen Stiefeln, dem Schultertuch und der zu großen Jacke kam sie sich schäbig vor, als sie der hüftenschwingenden Kellnerin im knappen Ledermini folgte.
Als Merritt ihre Tasche abgestellt und Tuch, Jacke und Stiefel ausgezogen hatte, war Nikki bereits wieder im Gastraum. Erleichtert band Merritt ihre Turnschuhe zu, legte ihre Schürze an und ging hinüber zu Alvie am Grill. „Anscheinend haben wir trotz des Wetters Hochbetrieb.“
„Alles in Ordnung? Wie sah es auf den Straßen aus?“
„Es ist jetzt schon schlimm. Ein freundlicher Mensch hat mich mitgenommen.“
„Gut. Doch nicht etwa ein Fremder?“, fragte Alvie mit einem flüchtigen, strengen Blick. „Auch in dieser Gegend musst du vor Fremden auf der Hut sein, Motte. Ganz besonders in dieser Gegend.“
Um ihre schuldbewusste Miene zu verbergen, drehte Merritt sich um und begann, ihre Tasche auszupacken. „Diese Käsestangen werden dir schmecken. Der neue Cheddar bewährt sich gut. Ich finde ihn noch besser als den Parmesan.“
„Dieses Wetter verführt die Leute zum Schlemmen. Wenn sie sich weiterhin so auf die Beilagen stürzen, muss ich wohl die Preise erhöhen. Ist im Haus alles in Ordnung? Hast du genug Holz? Hast du die Schranktüren unter dem Spülbecken offen gelassen, damit die Leitungen nicht einfrieren?“
„Keine Sorge. Ich habe alles geregelt.“
„Kind, du versetzt mich in Erstaunen. Ich hätte Leroy, diesen faulen Kerl, schon Anfang der Woche rüberschicken sollen, damit er dich wenigstens mit Holz versorgt, aber du kennst ihn ja. Dann hätte ich mich den Rest der Woche um seine Wehwehchen statt um meine eigenen kümmern müssen. Und zusätzlich zu seinen Problemen mit der Batterie hat der Pick-up jetzt auch noch einen platten Reifen.“
Es war beinahe acht Uhr, als Nikkis Freund Josh in seinem schweren silbernen Diesel-Pick-up auf dem Parkplatz vorfuhr und leicht auf die Hupe drückte. Zu dem Zeitpunkt hockten nur noch drei Gäste vor ihrem Nachtisch. Nikki winkte Josh zu und eilte in die Küche, um sich bei Alvie abzumelden.
„Bis irgendwann“, sagte Alvie nur. Sie hatte ihren Arbeitsplatz schon aufgeräumt und bereitete die Frühstücksschicht vor.
Ein Gast bedeutete Merritt, dass er zahlen wollte, und sie ging hin, um abzukassieren. Als sie ihm das Wechselgeld brachte, war Cain in der Zwischenzeit eingetroffen.
Er blickte in die Runde der letzten Gäste und entschied sich dann für einen Tresenplatz am anderen Ende der Küche. Merritt nahm an, dass er noch immer nicht in geselliger Stimmung war und von der Küche aus nicht gesehen werden wollte.
„Ich dachte schon, du hättest dich gegen ein Abendessen entschieden“, sagte sie und versorgte ihn mit einem Glas Wasser, Besteck und der Speisekarte.
Er ließ die Speisekarte und Merritts Bemerkung unbeachtet und fragte: „Was wärmt am besten von dem, das Alvie zu bieten hat?“
„Chili oder die Suppe. Heute gibt es Hühnchen-Gemüse-Suppe. Mit Nudeln, Reis oder Kartoffeln“, erklärte sie.
„Ich nehme Chili, wenn es dein Ernst war, etwas Brot für mich aufzuheben.“
„Chili wird mit Maisbrot serviert, aber ich kann dir einen Korb mit Kostproben von allem richten. Möchtest du nur Wasser oder lieber noch ein bisschen Kaffee? Wir haben auch heißen Tee oder Kakao.“
„Kaffee.“
Alvie murrte, als Merritt so spät noch mit einer Bestellung kam. Doch sie beruhigte sich, als sie sah, dass der Gast Chili wünschte, welches Merritt selbst in eine Suppenschüssel schöpfte.
Als Merritt sich dem Behälter mit geriebenem Cheddar zuwandte, inspizierte Alvie den Chilitopf. „Wir haben nur noch eine kleine Portion übrig.“ Sie griff nach einer Tasse. „Du hast kaum einen Happen zum Abendbrot gegessen. Streu ein bisschen Käse drüber und iss schnell auf, bevor du wieder nach vorn gehst.“
Merritt sträubte sich. „Eigentlich vertrage ich um diese Zeit kein Rindfleisch mehr. Cain hat einen Appetit wie ein Holzfäller; ich gebe es ihm.“
Die scharfsinnige Frau horchte auf. „Cain ist im Gastraum? Was hat er noch in der Stadt zu suchen? Ich dachte, er wäre heute Morgen ins Reservat aufgebrochen.“
Merritt richtete einen Korb mit den verschiedenen Brotsorten für ihn und gab zwei Portionen Kräuterbutter dazu. „Offenbar will er dort nicht bleiben. Er hat erfahren, dass seine Großmutter gestorben ist. Wusstest du das?“ Ihre Chefin war gewöhnlich immer auf dem neusten Stand über Ereignisse in der Stadt.
Alvie verzog das
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