Julia Saison Band 13
schon da sei. In Anbetracht der Uhrzeit sollte sie eigentlich schon seit Stunden hier sein – seit er angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass er sich verspäten würde.
„Eve?“
Er zog sein Sakko aus und warf es über die Schulter. Dabei fiel ein Zettel vom Flurtisch. Er hob ihn auf und verfolgte mit seiner üblichen langsamen Lesebewegung die kursive, fließende Schrift.
Hallo Bryce,
es tut mir leid, aber ich konnte nicht länger warten. Ich bekam einen Anruf und muss noch etwas Geschäftliches erledigen. Du weißt ja, die Pflicht ruft …
Bis dann,
Eve
Eigentlich sollte er erleichtert sein. Es wurde langsam etwas zu eng zwischen ihnen, wenn er die einzige Person war, mit der sie ihren großen Erfolg feiern wollte.
Wenn man die eigenartigen Blicke dazurechnete, die sie ihm in scheinbar unbeobachteten Momenten zuwarf, und die Art, wie sie auf dem Probeessen auf seinen unerwarteten Kuss reagiert hatte, sollte er definitiv erleichtert sein.
Warum dann dieses überwältigende Gefühl der Enttäuschung?
Er durfte Eve nicht zu nahe an sich heranlassen. Wenn sie sein Geheimnis entdeckte – und das wäre unvermeidlich, wenn sie wirklich zusammenkämen –, würde er ihr Mitleid nicht ertragen können. Eine intelligente, erfolgreiche Frau wie sie würde ihn auf jeden Fall bemitleiden, und wenn es etwas gab, was er noch mehr hasste als Menschen, die ihn verurteilten, dann war es Mitleid.
Es war besser so.
Sie hatte Geschäftliches als Grund für ihr Verschwinden genannt. Aber er wusste Bescheid. Sie hatte ihn vorhin am Telefon spüren lassen, dass sie ihn sehen wollte, und sie war aufgeregt gewesen. Jetzt verstand er. Er bekam den gleichen Kick, wenn er sich eine Wettbewerbspräsentation sicherte, und hatte dann das unbändige Bedürfnis, seinen Erfolg in die Welt hinauszuschreien.
Ihre Einladung hatte ihn überrascht. Er hatte erwartet, dass sie sich nach dem Kuss der letzten Nacht zurückziehen würde.
Er verwettete seinen Kopf darauf, dass sie nach ihrer anfänglichen Hochstimmung hierhergekommen war und dann eins und eins zusammengezählt hatte: er, der Kuss, einfach alles.
Er konnte es ihr nicht verübeln; er verhielt sich seit der letzten Nacht genauso. Während er seine hochwichtige Karriere und seine Ziele über sein Privatleben gestellt hatte, hatte Eve gerade dies offensichtlich nicht getan.
Sie war geflohen. Er sollte darüber erleichtert sein; so würde er an diesem ruhigen Abend noch ein paar Stunden konzentriert arbeiten können.
Er zerknüllte den Zettel, warf ihn in den Papierkorb und ging zum Telefon.
Heute Abend würde er sich sein Essen bestellen – ein Abend, so wie er ihn mochte.
Aber warum dann der bittere Nachgeschmack?
8. KAPITEL
„Na, gefällt es dir?“
Eve versteifte sich, als sie Bryces Atem im Nacken spürte, setzte aber ein entspanntes Gesicht auf, als sie sich umdrehte.
„Und wie. Die Zeremonie verlief wie am Schnürchen. Weder bin ich über den Traualtar gestolpert, noch habe ich der Braut die Schau gestohlen, und die Hochzeitsparty ist fantastisch. Natürlich gefällt es mir!“
„Das Gefühl habe ich aber nicht.“
Er strich mit seinem Finger über ihre Augenbraue, sanft, langsam, in einer einfachen Berührung, die ihre Haut zum Glühen brachte. „Du hast die Stirn gerunzelt!“
Verdammt, dachte sie. Sie hatte gehofft, cool und unerschütterlich zu wirken. Es sah aus, als ob sie damit genauso erfolgreich war wie mit ihrem Versuch, ihr Herz gegen diesen umwerfend sinnlichen Mann zu wappnen, der sie gerade besorgt ansah.
Sie war erleichtert, als er seine Hand fortzog, und zuckte die Achseln. „Berufskrankheit. Ich habe mich gefragt, wie das Personal dies alles hier organisiert.“
Seinem skeptischen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, glaubte er ihr kein Wort, fragte aber nicht weiter nach. „Das Melbourne Aquarium ist ein toller Ort für eine Hochzeit.“
„Ich habe hier schon andere Ereignisse durchgeführt, Firmenempfänge und verschiedene Seminare, aber noch nie eine Hochzeit. Es hat was, findest du nicht auch?“
„Wenn man Kellergewölbe mag, die umgeben sind von bis zur Decke mit Wasser gefüllten Räumen, nur durch dünnes Glas getrennt von Killer-Haien, Stachelrochen und den widerlichsten Tiefseekreaturen – ja, dann hat es was.“
Sie lachte über seinen gequälten Gesichtsausdruck. „Ich hatte vergessen, dass du Wasser nicht magst.“
„Wer hat dir das erzählt?“
Verwundert über seinen argwöhnischen Ton, zuckte sie die
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