Julia Saison Band 13
nichts hasste er mehr als Lügen.
„Ich habe in ihrem Tagebuch gelesen“, erklärte er.
„Ich glaube, davon entsprach nichts der Realität.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Tillie war nicht der Typ, der mit seinen Eroberungen oder vergangenen Affären geprahlt hätte.“
„Aber ein Tagebuch hat nichts mit Prahlerei zu tun, oder? Es ist ein persönliches Dokument, in dem man seine Seele entblößt.“
Daisy kam ein paar Schritte auf ihn zu, wobei ihre braunen Augen blitzten. „Mir ist bewusst, was wir Ihnen schuldig sind, Mr Sutcliffe. Sie haben großzügig darüber hinweggesehen, dass wir uns hier unbefugt aufhalten. Wahrscheinlich könnten Sie uns sogar festnehmen lassen, wenn Sie es darauf anlegen würden. Verstehen Sie mich daher bitte nicht falsch. Ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar für Ihr Verhalten und die Tatsache, dass Sie uns dabei unterstützen, ein neues Zuhause zu finden. Aber ich dachte, Sie wollten etwas über meine Tillie erfahren. Die Frau, die ich gekannt habe. Stattdessen klingt es so, als wollten Sie bloß irgendwelchen Dreck aufwirbeln.“
Jetzt stand sie direkt vor ihm und schaute zu ihm hoch. Sie sah aus, als hätte sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst. Wenn Parker wollte, hätte er sie jetzt küssen können. Obwohl sie wütend war und ihm ihre Beschuldigungen an den Kopf warf, oder vielleicht gerade deshalb, weil sie es auf so großartige Weise tat, wollte er ihren Mund unter seinen Lippen spüren. Noch nie hatte er darauf geachtet, was andere Menschen von ihm dachten. Von solchen Gefühlen hatte er sich schon sehr früh befreit. Und dennoch …
„Ich will nicht bloß Dreck aufwirbeln. Tillie ist ein fehlender Teil meiner Familiengeschichte, und ich möchte alles über sie wissen.“
Daisys böser Blick schwand, und sie schien ein wenig in sich zusammenzusinken. „Weil sie Ihnen wichtig ist.“
Es wäre verführerisch gewesen, sie anzulügen. Ein elektrisierendes Prickeln entstand zwischen ihnen. Wenn Parker ihr zugestimmt hätte, wäre sie vielleicht noch näher gekommen. Er konnte ihre Lippen schon förmlich schmecken.
Doch langsam schüttelte er den Kopf. „Ich weiß nicht genug, als dass sie mir wichtig sein könnte. Aber ich habe eine Firma, deren Ruf sehr stark von der Anerkennung der Öffentlichkeit abhängt. Und ich habe keine Ahnung, warum die Existenz der Schwester meiner Mutter ein solches Geheimnis gewesen ist.“
„Sie glauben also, es gibt irgendetwas an Tillie, wodurch Ihr Aktienkurs fallen könnte?“
Er öffnete den Mund, um zu sagen, dass dies bereits geschah. Schnell schloss er ihn jedoch wieder. Parker wollte zwar, dass sie ihm ihre Geheimnisse mitteilte, aber seine gab er niemals preis.
„Ich mag keine unbekannten Faktoren“, entgegnete er.
„In Ordnung“, meinte Daisy zögernd.
„In Ordnung?“
„Ich nehme an, falls der Grund für Ihr Interesse an Tillies Vergangenheit der Ruf Ihrer Firma ist, dass Sie ihre Geheimnisse nicht an die Öffentlichkeit bringen werden?“
Er hob die Brauen. „Nehmen Sie mich etwa ins Kreuzverhör, Daisy?“
„Ich bin eigentlich nicht in der Position, den Eigentümer dieses Hauses ins Kreuzverhör zu nehmen. Aber ja, vielleicht tue ich es, ein bisschen.“
Parker nickte knapp. „Okay, das ist eine ehrliche Antwort. Nein, ich habe nicht die Absicht, die Fehltritte meiner Tante öffentlich zu machen, falls es welche gibt. Ich will sie vielmehr möglichst tief vergraben.“
„Wegen der Firma, nicht wegen Tillie“, stellte sie fest.
Er schwieg.
Daisy trat ein paar Schritte zurück. „Ich werde Ihnen sagen, was ich weiß. Allerdings ist das nicht viel. Weil jeder von uns eine Vergangenheit hat, haben wir nie besonders viel darüber geredet. Offen gestanden, allein Ihr Kontakt mit uns könnte den Ruf Ihrer Firma bereits beflecken. Sie werden sich also vermutlich nicht lange hier aufhalten.“
„Nur so lange, bis ich erledigt habe, wozu ich hergekommen bin.“
Sie lächelte. „Wobei uns loszuwerden mit dazugehört?“
Belustigt gab er zurück: „Ganz so würde ich es nicht ausdrücken.“
„Hm. So viel Offenheit ist wohl schlecht fürs Geschäft.“
Das konnte er nicht leugnen. Die meisten Leute beklagten sich über seine Reserviertheit, nicht über seine Taktlosigkeit.
„Sagen Sie mir, was Sie wissen, Daisy.“ Seine Stimme klang etwas zu tief, zu rau.
Sie schluckte. „Das werde ich, aber nicht jetzt.“
„Wie bitte?“
„Ich habe gerade die Glocke im Haus gehört. Das heißt, in
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