Julia Saison Band 17
sah sie forschend an, als würde er in ihrer Miene nach der Antwort auf eine Frage suchen.
„Möchten Sie einen Kaffee?“, fragte Georgia, weil sie die Stille nicht mehr aushielt.
Er ging zur Tür. „Nein. Ich muss los.“
„Danke für die Fahrt nach Hause.“
„Kein Problem.“
Georgia folgte ihm in den Flur. „Und für den Ausflug ins Restaurant. Es war wirklich toll.“
„Wir werden einen anderen Kochkurs für Sie finden. Sie brauchen nicht noch einmal zu dem französischen Typen zu gehen.“
Sie öffnete die Haustür. „Dem nicht französischen Typen …“
„Genau.“
Auf der Schwelle zögerte Alex. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er selbst diesen Besuch vorgeschlagen hatte, so verlegen sah er aus.
„Dann bis zum nächsten Mal“, sagte Georgia leise.
„Okay. Gute Nacht.“ Er rannte nicht gerade zum Jaguar, machte aber doch ziemlich große Schritte mit seinen langen Marathonläuferbeinen.
Verwundert blickte Georgia den Rücklichtern des Wagens hinterher. Alex und sie hatten sich den Abend über gut verstanden, und es war nicht unverschämt, einem Gast Kaffee anzubieten. Warum konnte er jetzt nicht schnell genug wegkommen?
Sie kehrte in ihr Apartment zurück. Hier gab es jedenfalls nichts, was ihn in Verlegenheit gebracht haben könnte. Vielleicht litt er ja unter einer Pflanzen-Phobie? Georgia seufzte. Möglicherweise war dies ein Test gewesen, um festzustellen, wie gut sie am Anfang ihres Selbstfindungsjahres mit dem Urteil anderer Menschen klarkam. Nicht gut, wie sich jetzt zeigte.
Es störte sie, wenn jemand schlecht von ihr dachte. Ein Jahr lang würde sie Alex immer mal wieder treffen. Sie wollte nicht, dass einer von ihnen bei diesen Treffen angespannt oder peinlich berührt war.
Außerdem gab es da noch eine Befürchtung, die tiefer ging. Was, wenn der Grund, aus dem Dan sie nicht heiraten wollte, eben auch Alex aufgegangen war? Irgendeine Unzulänglichkeit, ein Makel, der ihr anhaftete und den sie selbst nicht kannte? War sie ungeschickt? Langweilig? So indiskutabel, dass sogar ein Mann, der nur beruflich mit ihr zu tun hatte, die Flucht ergriff?
Falls ja, stand Alex ein ziemlich ödes Jahr bevor. Die Kurse würden sicher Spuren bei ihr hinterlassen, aber keinen völlig anderen Menschen aus ihr machen.
Alex deponierte Schlüssel und Geldbeutel in der flachen Schale auf seinem Nachttisch und ging dann unter die Dusche. Die Temperatur drehte er so hoch, wie er es eben noch aushielt. Als wollte er die Empfindung verbrennen, die ihn in Georgias Wohnung aus der Bahn geworfen hatte.
Inzwischen war er daran gewöhnt, sich in ihrer Gegenwart anders zu fühlen als mit jeder anderen Frau zuvor. Irgendwie gelang es ihr, all seine Sinne anzusprechen. Doch vorhin war noch etwas dazugekommen. Etwas, das er nicht richtig einordnen konnte.
Interesse, versuchte er zu analysieren. Mitgefühl, weil er durch seine Worte Selbstzweifel in ihr auslöste und sie in die Defensive ging.
Nein, erkannte Alex, es war mehr als das. Unruhe. Verlangen. Eine prickelnde Neugierde – auch in sexueller Hinsicht, aber nicht nur. Dabei suchte er überhaupt nicht nach irgendetwas in dieser Richtung. Er wollte nicht so empfinden. Ganz abgesehen davon, dass er es auch gar nicht durfte.
Alex legte den Kopf in den Nacken und ließ das heiße Wasser über seinen Körper rinnen.
Das Apartment bedeutete Georgia offenbar viel, aber sie wollte es nicht zeigen, wiegelte ab. So, wie sie auch abwiegelte, wenn es um sie selbst ging. Als ob sie wusste, dass sie in keine herkömmliche Schublade passte, und sich damit abgefunden hatte.
Er hatte ihr durch die Blume gesagt, dass sie für die Hörer nicht spannend genug war. Und jetzt stand er unter einer viel zu heißen Dusche, weil er diese Frau ungemein spannend fand. Ganz schön heuchlerisch.
Ständig begegnete er hinterhältigen Menschen, die mit harten Bandagen kämpften, um die Karriereleiter hinaufzuklettern. Sie waren laut und darauf bedacht, der Welt eine glänzende Fassade zu zeigen. Im Job ging Alex diesen Leuten möglichst aus dem Weg, und an den Wochenenden lief er ihnen buchstäblich davon. Wer so viele Stunden arbeitete wie er, war im Grunde ständig auf der Hut. Doch vor einer halben Stunde, in Georgias vollgestopftem Gewächshaus von Apartment, hatte er sich plötzlich sicher gefühlt. Als könnte er zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren wieder frei atmen.
Er stellte das Wasser ab, zog einen Bademantel über und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
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