Julia Saison Band 17
seinem Zimmer geöffnet hatte und ihn in den Armen einer der Brautjungfern fand. Seine Entschuldigungen, sobald er Annettes Freundin weggeschickt hatte. Eine Freundin, von wegen.
Dann das Schlimmste: seine Hand in der Luft, nachdem sie die Frechheit besessen hatte, seine Ausreden nicht einfach so zu akzeptieren und die Hochzeit abzusagen.
„Du siehst irgendwie verloren aus“, hörte sie da eine Männerstimme.
Vor ihr stand Jared in seiner schwarzen Jacke, Tony Amatis Tagebuch unterm Arm. Sofort wurde ihr heiß, und ihr Puls beschleunigte sich.
„Ist das nicht mein Text?“, fragte sie lächelnd.
Sein Lächeln war wie immer ein bisschen schief, als er auf die Bank deutete. „Darf ich?“
Annette rutschte zur Seite, wobei sie den langen Wollmantel um sich festzog, als könnte sie damit verbergen, wie verletzlich sie war. Als ob Jared das nicht gerade mitbekommen hatte. Es war sowieso alles umsonst, als sie seinen Duft nach Heu wahrnahm und sich der breiten Schultern unter seiner schwarzen Jacke bewusst wurde. Er schob den Hut leicht nach hinten, sodass ihr Blick wie gebannt an seinem markanten Profil hängen blieb.
„Ich glaube, gestern hab ich mich auch irgendwie verloren“, meinte er.
„Im Diner?“
„Nein.“ Er lachte. „Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mir in den Kopf gesetzt habe, in deinem Garten könnte sich noch mehr Material über Tony Amati finden lassen. Deshalb bin ich zu dir gefahren, weil ich dachte, ich könnte mal bei dir klingeln und fragen, ob du mich ein bisschen Indiana Jones spielen lässt.“
Ihr schoss die Röte in die Wangen. „Du warst bei mir?“
„Ja, aber dann bin ich wieder zur Vernunft gekommen.“
Ein Gefühl der Hitze und Aufregung durchströmte Annette. Sie waren einander so nahe.
Trotzdem, sich mit einem Kerl einzulassen, von dem sie so gut wie nichts wusste, war das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Ein Mann, der sie ebenso durcheinanderbrachte wie Brett damals … Und was war dabei herausgekommen? Nein, sie sollte sich besser nicht auf ihren ersten Eindruck verlassen.
Außerdem brauchte ihr Baby etwas anderes als einen Herumtreiber. Eigentlich brauchte ihr Kind nur sie und überhaupt keinen Mann.
Jared zog das Tagebuch unter seinem Arm hervor. „Ich bin dann nach Hause gefahren und habe das ganze Ding noch einmal in aller Ruhe durchgelesen.“ Er hielt es ihr hin. „Abgesehen von einer Liebesgeschichte steht nicht viel drin. Darum hoffe ich, noch mehr zu finden. Und wenn es in deinem Garten ist.“
Annette nahm das Buch. „Typisch Mann. Wenn es keine Action gibt, interessiert es euch nicht.“
„Es interessiert mich schon. Ich hätte nur nicht gedacht, dass Tony so ein …“ Er machte eine unbestimmte Handbewegung.
„So ein liebeskranker Trottel ist?“
„Ja, vielleicht. Er erzählt ausschließlich von einem Mädchen, in das er verliebt gewesen ist.“
„Soviel ich weiß, hat Tony nie geheiratet“, sagte Annette.
„Richtig. Er schreibt darüber, wie sie sich ständig heimlich getroffen haben. Sie war mit einem anderen verlobt, den sie aber anscheinend nicht geliebt hat.“
„Also ein böses Mädchen? Wie fortschrittlich für die damalige Zeit.“
„Nein, Tony meint, sie wäre ein Engel gewesen. Aber ihr Vater hielt nichts von Tony, weil er wohl fand, er wäre kein guter Umgang für seine Tochter.“
„Ah, eine verbotene Romanze.“
Jared lehnte sich zurück und legte seine Arme über die Rückenlehne der Bank. Dabei berührte seine Jacke ihre Schulter, und Annette erschauerte.
„Aber es ist komisch“, fuhr er fort. „Tony hat überhaupt keine Details über sich und das Mädchen geschrieben.“
„Details?“
Er hob die Brauen, und Annette begriff. Intimitäten. Spürte er die Anspannung zwischen ihnen und wollte deshalb sogar das Wort vermeiden?
„Tony erwähnt noch nicht mal ihren Namen“, erklärte Jared. „Es ist kein Eroberungstagebuch.“
„Was dann?“
„So ein blumiges Zeug, wie Romeo es über Julia geschrieben hätte“, antwortete er. „Jedenfalls kannst du es lesen, wenn du willst. Das bin ich dir schuldig, weil du es mir ja immerhin gegeben hast. Aber erst will ich es meiner Großmutter zeigen. Und wenn du darin liest, möchte ich dich bitten, es niemandem sonst zu zeigen.“
„Okay, Jared.“
Ihre Blicke trafen sich, seine Augen glühten wie dunkles Feuer. Rasch schaute Annette wieder weg.
„Und du darfst auch gerne in meinem Garten graben“, setzte sie hinzu.
„Danke.“
Seine leise
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